Wassermelone: Roman (German Edition)
Teufel er vorhatte.
»Du hast gesagt, dass du mich brauchtest.« Er gab einen gereizten Laut von sich und drehte die Augen zum Himmel. »Das ist wirklich sehr zurückhaltend formuliert!« Er schwieg – um die Wirkung seiner Worte zu steigern? – und sah mich hart und zornerfüllt an.
Ich sagte nichts. Ich war äußerst gespannt. Was würde jetzt kommen?
»Ich weiß, dass du mich gebraucht hast«, schleuderte er mir ins Gesicht. »Du hast mich immerzu gebraucht, für dies und jenes. Wie hätte ich es da nicht wissen sollen?« Ich konnte ihn nur wortlos anstarren.
Wutausbrüche waren bei ihm selten, gewissermaßen eine Sensation, und bei den wenigen Gelegenheiten, da er die Beherrschung verloren hatte, war er eigentlich immer ganz witzig gewesen. Aber heute war das anders. Ich wusste nicht, worauf er so zornig war, aber seinen Worten nach zu urteilen schien es darum zu gehen, dass ich schuld war.
So stand das nicht im Drehbuch. Recht hatte ich . Er war der miese Kerl. So herum war’s.
»Du hast mich für alles gebraucht«, brüllte er fast. Hier müsste ich wohl darauf hinweisen, dass James normalerweise nie laut wurde. Er hatte früher kein einziges Mal auch nur fast gebrüllt.
»Ständig hast du Aufmerksamkeit gebraucht«, fuhr er fort. »Und Bestärkung. Nie hast du dich im Geringsten darum gekümmert, wie ich mich fühlte und was ich brauchen könnte.«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Ich traute meinen Ohren nicht. Warum griff er mich an? Schließlich hatte er mich im Stich gelassen, oder? Wenn es also Vorwürfe zu machen gab, war die Reihe an mir.
»James …«, sagte ich schwach.
Ohne darauf zu achten, fuhr er mit seinen Anwürfen fort, wobei er unaufhörlich mit dem Finger nach mir stieß.
»Du warst unmöglich. Ich war völlig erschöpft von deinen Ansprüchen. Ich weiß gar nicht, wie ich es bei dir so lange ausgehalten habe. Ich weiß auch nicht, wie irgendjemand mit dir leben könnte.« Ach nein!
Das war zu viel. Wut stieg in mir auf. So etwa muss es bei einem Femegericht zugehen. Er tat mir so ungeheuer unrecht. Das würde ich ihm keinesfalls durchgehen lassen. Ich war fuchsteufelswild.
»Ich verstehe«, sagte ich aufgebracht. »Es ist also alles meine Schuld. Ich hab dich dazu getrieben, ein Verhältnis anzufangen. Ich hab dich dazu getrieben, mich im Stich zu lassen. Merkwürdig, weil ich mich nicht erinnern kann, dir die Pistole auf die Brust gesetzt zu haben. Ich muss das ganz vergessen haben.«
Es stimmt schon, Sarkasmus ist die niedrigste Form des Witzes, aber ich konnte nicht anders. Er hatte mich angegriffen, und in mir brannte das Bewusstsein, dass er mir damit unrecht tat. Es versengte mich förmlich.
»Nein, Claire«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Das hatte ich noch nie bei jemandem gesehen und es immer für eine leere Redewendung gehalten. »Natürlich hast du mich nicht dazu getrieben, etwas zu tun.«
»Was willst du dann sagen?«, wollte ich wissen.
In meiner Magengrube meldete sich ein eigenartiges kaltes Gefühl. Mir war klar, dass es Angst war.
»Dass das Zusammenleben mit dir so ähnlich war wie das mit einem Kind, das nur Ansprüche stellt. Immer wolltest du ausgehen, als wäre das Leben eine einzige lange Party. Für dich war es das ja wohl auch. Immer hast du gelacht und dich vergnügt. Also musste ich den Part des Erwachsenen übernehmen, der sich um Geldsachen und Rechnungen kümmerte. Du warst so wahnsinnig egoistisch . Ich hatte die Aufgabe, dich bei einer Gesellschaft um ein Uhr nachts daran zu erinnern, dass wir beide am nächsten Morgen zur Arbeit mussten. Zum Dank dafür musste ich mir gefallen lassen, dass du mich einen langweiligen Scheißkerl nanntest.« Dieser Schwall von Vorwürfen verblüffte mich. Abgesehen davon, dass er unerwartet kam, fand ich ihn auch äußerst ungerecht.
»So ist das bei uns eben gelaufen«, wandte ich ein. »Ich war die Lustige und du der Ernsthafte. Jeder wusste das. Ich war das komische Zwischenspiel, das kleine Dummerchen, das dich zum Lachen brachte, sodass du dich entspannen konntest. Du warst der Starke. Uns beiden war das recht, so war es nun mal, und deswegen war es auch gut so.«
»Das war es nicht«, sagte er. »Ich war es so leid, immer der Starke zu sein.«
»Außerdem hab ich dich nie langweiliger Scheißkerl genannt«, rief ich. Ich wusste, dass irgendetwas an seinen Worten nicht gestimmt hatte.
»Das ist doch egal«, sagte er gereizt. »Jedenfalls hast du mir immer das Gefühl gegeben, dass ich
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