Wassermelone: Roman (German Edition)
das bewirken, wenn du mich verließest«, sagte ich, als mir die Zusammenhänge nach und nach dämmerten. »Wie schade, dass du deine Zuflucht zu einem so extremen Schritt genommen hast.«
»Nein, nicht darum bin ich gegangen«, sagte er. »Nicht weil ich wollte, dass du erwachsen wirst. Offen gestanden schien mir das nicht möglich. Ich wollte einfach mit einem Menschen zusammen sein, dem ich etwas bedeute. Mit einem Menschen, der sich um mich kümmert. Das hat Denise getan.«
Ich schluckte die Kränkung herunter.
»Du hast mir etwas bedeutet. Ich habe dich geliebt .« Ich musste unbedingt erreichen, dass er mir glaubte. »Du hast mir nie eine Möglichkeit gegeben, dir zu helfen. Du hast mir nie Gelegenheit gegeben, stark zu sein. Jetzt bin ich stark. Ich hätte mich um dich kümmern können.«
Er sah mich mit einem väterlichen Gesichtsausdruck voller Nachsicht an.
»Möglich«, sagte er durchaus freundlich. »Vielleicht hättest du dich um mich kümmern können.«
»Und jetzt werden wir es nie erfahren«, dachte ich laut, während mir angesichts des Verlustes, der verpassten Gelegenheiten und der Missverständnisse fast das Herz brach.
Nach einem längeren unbehaglichen Schweigen sagte er hastig: »Äh, ja, vermutlich nicht.«
Und jetzt? Ich fühlte mich jämmerlich, mir war elend, und ich war todtraurig. Wegen uns beiden.
Wegen James, der ganz allein so viele Sorgen auf sich genommen hatte. Meinetwegen, weil er mich so falsch verstanden hatte. Oder war es meinetwegen, weil ich ihn so falsch verstanden hatte? Um Kates willen, die das unschuldige Opfer war.
»Du musst geglaubt haben, dass ich ohne dich ganz und gar vor die Hunde gehe«, wandte ich mich an ihn. Mir war heiß, ich war wütend vor Scham und Verlegenheit.
»Ja, so war es wohl«, gab er zu. »Daraus kannst du mir kaum einen Vorwurf machen, oder?«
»Nein«, sagte ich und ließ den Kopf hängen.
»Aber ich bin nicht vor die Hunde gegangen, was?«, sagte ich. Tränen liefen mir über das Gesicht. »Ich habe es ohne dich geschafft und werde auch künftig gut ohne dich zurechtkommen.«
»Das sehe ich«, sagte er und nickte leicht belustigt zu meinem nassen, tränenüberströmten Gesicht hin. »Komm, Dummkopf.« Er schob die Blumenvase und den Ständer mit Salz und Pfeffer beiseite, zog mich unbeholfen über den Tisch hinweg an sich und tätschelte mir Kopf und Schultern. Er wollte mich offenbar trösten.
Ich ließ ihn einen Augenblick lang gewähren. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich und blöd und setzte mich wieder auf. Es würde meiner Sache kaum nützen, wenn ich fortfuhr, mich wie ein Kind aufzuführen, das Trost brauchte.
Aber auch das schien ihm nicht recht zu sein.
»Was ist?«, fragte er. Es klang ein wenig ärgerlich.
»Was soll sein?«, fragte ich und überlegte, was ich jetzt wieder angestellt hatte.
»Warum ziehst du dich von mir zurück? Schön, ich hab dich wegen einer anderen Frau verlassen, aber hab ich Tollwut oder so was?« Ein kleines Grinsen wegen seines Witzchens trat auf sein Gesicht, und ich versuchte kläglich zurückzugrinsen.
»Äh, nein«, sagte ich völlig verwirrt. Was wollte er von mir? Ich schien es ihm nicht recht machen zu können, ganz gleich, was ich tat. Ich war ausgelaugt.
Alles war viel einfacher gewesen, als er ein ehebrecherischer Mistkerl und Frauenheld war. Da hatte ich gewusst, woran ich war, und hatte den Durchblick. Aber er hatte wohl recht. Vermutlich hatte es mir Spaß gemacht, verantwortungslos zu sein. Warum eigentlich konnte ich die Schuld für meinen Anteil am Scheitern unserer Ehe nicht auf mich nehmen?
Es fiel mir schwer einzusehen, dass alles meine Schuld sein sollte. Er hatte mich im Stich gelassen, er hatte mir das Herz gebrochen.
Nichts von dem war eingetreten, was ich erwartet hatte. Ich hatte angenommen, er würde mich vielleicht fragen, ob ich zu ihm zurückkehren wollte. Eine andere Möglichkeit war es gewesen, dass er sich weiterhin in jeder Beziehung wie ein Mistkerl aufführte. Damit aber, dass ich mich letztlich entschuldigen sollte, weil die Situation angeblich ganz allein von mir heraufbeschworen worden war, hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Die Dinge waren schwarz und weiß gewesen. Er war die Finsternis, und ich das Licht. Er war der Übeltäter, und ich das Opfer. Jetzt war alles durcheinandergeraten: Ich war die Übeltäterin, und er das Opfer. Irgendetwas war daran falsch.
Es war nicht leicht, aber ich war bereit, es auf dem von ihm vorgezeichneten Weg
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