Wassermelone: Roman (German Edition)
ich bitte?«
Darüber musste ich einen Augenblick lang nachdenken. Mit wem sprach er? Dann fiel es mir ein.
»Äh, mit seiner Frau«, sagte ich.
»Claire!«, rief der Mann aus und war die Herzlichkeit in Person, womöglich um seine Betroffenheit zu verbergen. »Wie geht es? Hier spricht George. Ist ja großartig, von dir zu hören.«
George und James waren nicht nur Teilhaber, sondern auch Freunde. Vermutlich meinte George in seiner machohaften, biertrinkenden Wir-Männer-Manier, er sei auch mit mir befreundet. Auf jeden Fall war er umgänglich. Solange man gewisse Wesenszüge einfach hinnahm, wie sie waren, konnte man wahrscheinlich gut mit ihm auskommen. Beispielsweise würde ich ihm nicht nachsagen, dass er Rugby spielte, doch sah er sich mit Sicherheit Rugby-Spiele an.
Aber er war freundlich. Ich konnte ihn gut leiden, und seine Frau Aisling war ein fröhlicher Mensch. Wir hatten uns alle schon häufig miteinander betrunken.
»Hallo, George«, sagte ich ein wenig verlegen. Es war das erste Mal seit unserer Trennung, dass ich mit ihm sprach, und ich merkte, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Sollte ich die Sache ansprechen oder nicht? Sollte ich so tun, als wäre nichts vorgefallen und alles in bester Ordnung?
Oder sollte ich den Stier bei den Hörnern packen und mit Äußerungen voll Selbstironie eine Art Witz daraus machen? Vielleicht so: »Ich bin Claire. Aber du kannst Denise zu mir sagen, wenn du dir den Namen besser merken kannst.«
Mir wurde klar, dass ich mich in den ersten Wochen nach meiner Rückkehr sehr häufig in dieser Situation befinden würde. Großer Gott, es würde schrecklich demütigend sein.
Aber George rettete mich, indem er unumwunden auf die Sache zu sprechen kam.
»Du gehst also zu ihm zurück«. Er lachte. »Gott sei Dank. Vielleicht kriegen wir von ihm dann ja mal wieder ’n anständiges Stück Arbeit zu sehen.«
»Oh«, sagte ich höflich.
»Ja«, fuhr er so voll Herzlichkeit und Jovialität fort, dass ich vermutete, er habe ein ausgedehntes und flüssiges Mittagessen hinter sich (immerhin war es Freitag). »Wie soll ich das sagen, Claire? Es war weiß Gott nicht einfach mit ihm. Du weißt ja, wie er ist. Es fällt ihm schwer, über seine Gefühle zu reden – na ja, das gilt wohl für uns alle –, und er ist stolzer, als ihm guttut. Aber ein Blinder konnte sehen, wie sehr er an dir hängt. Ein Blick genügte, um zu erkennen, dass er ohne dich völlig am Boden war. Ich sage dir: am Boden! Jedes weitere Wort ist da überflüssig! Ein wahrer Segen, dass du ihn wieder aufgenommen hast. Wir hätten ihn sonst vor die Tür setzen müssen.« Breites, glucksendes Drei-Halbe-zum-Mittagessen-Gelächter von George.
Was zum Teufel wollte er damit sagen? Lachte er mich etwa aus? Das war ja wohl nicht möglich. Heiße Tränen der Scham und des Zorns traten mir in die Augen. War ich zum öffentlichen Gespött geworden? Würde jeder auf meine Kosten herzlich lachen?
Schön, schön, offen gestanden muss ich zugeben, dass ich unter anderen Umständen die Erste gewesen wäre, die aus vollem Hals über eine verlassene Ehefrau gelacht hätte, wenn sie ihren vom Pfad der Tugend abgekommenen Mann mit so dankbarer Eile wieder auf der heimischen Koppel willkommen geheißen hätte. Und ich hätte dumm sein müssen zu glauben, dass sich die Leute nicht insgeheim darüber lustig machten, welch lächerliches Bild ich bot, indem ich James so ohne weiteres wieder aufnahm.
Aber ich konnte nicht glauben, dass George so unverhohlen über mich spottete. Ich hatte durchaus gemerkt, dass James ohne mich alles andere als am Boden zerstört war. Auf jeden Fall musste es George klar sein, dass ich das wusste. Sogar Männer sprachen ja wohl gelegentlich über etwas anderes als Fußball oder Autos – bestimmt auch James und George.
Normalerweise war George richtig freundlich. Ich verstand nicht, warum er Witze riss über das, was zwischen James und mir war. Warum verhielt er sich so grausam?
Ich war richtig verletzt. Aber ich konnte nicht weinen. Ich musste mich der Situation stellen. Das Ganze im Keim ersticken. Andernfalls würde jeder glauben, er hätte das Recht, sich über mich lustig zu machen.
»Tatsächlich?«, fragte ich mit dick aufgetragenem Sarkasmus, im Versuch, mit einem Wort klarzumachen, dass mir James zwar nur ein geringes Maß an Achtung entgegengebracht hatte, man mich aber deswegen in keiner Weise als Zielscheibe des öffentlichen Spotts anzusehen brauchte. James mochte mich
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