Wassermelone: Roman (German Edition)
mich elend.
»Nicht so sehr wie mir«, sagte er. Dann legte er auf.
Ich blieb eine ganze Weile am Telefon stehen. Es kam mir vor, als müsste mein Herz zerspringen. Außerdem empfand ich lähmende Angst. Hatte ich einen schrecklichen Fehler gemacht? Stand ich an einem Wendepunkt meines Lebens? War ich für Adam wirklich wichtig?
Spielte das eine Rolle? Immerhin hatte ich mich für die Richtung entschieden, in die ich gehen wollte. Aber war es die richtige?
Woher sollte ich das wissen? Mir schwirrte der Kopf. Ich hatte Angst und fühlte mich den Dingen nicht gewachsen.
Zwei Möglichkeiten lagen vor mir. Ein Leben mit James, und vielleicht eines mit Adam.
Hatte ich den falschen Weg eingeschlagen? Hatte ich mein Schicksal falsch verstanden? War der Bruch mit James vorherbestimmt gewesen, damit ich Adam kennenlernte und sehr viel glücklicher würde? Musste ich diesen Schmerz erleiden, damit meine Kräfte wuchsen? Hatte ich alle Zeichen falsch gedeutet? Alles falsch verstanden?
Es war zu spät. Ich hatte meinen Entschluss getroffen. Und ich wollte mich daran halten. Wenn ich mich immer wieder umentschied, würde ich mich nur verrückt machen.
Meine Zukunft lag bei James. Adam existierte in meinem Leben nicht mehr. Für ihn war ich wahrscheinlich ohnehin nur eine gute Nummer für eine Nacht gewesen. Jedenfalls bildete ich mir ein, dass ich gut gewesen war. Vielleicht hatte sich alles nur auf der körperlichen Ebene abgespielt. – Vielleicht aber auch nicht.
Was sollte ich nur tun? Ich musste darüber hinwegkommen. Ich würde darüber hinwegkommen. Selbstverständlich. Ich hatte ihn schließlich nur drei Wochen lang gekannt.
Nur hatte er, nun, Sie wissen schon … er hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Er hatte mich auf eine unerwartete Weise angerührt. Er hatte in mir das Bedürfnis ausgelöst, mich um ihn zu kümmern. Er hatte mir auf eine Weise, wie es James nicht mehr konnte, das Gefühl gegeben, etwas Besonderes und Wunderbares zu sein.
He! Vielleicht war all das ja nur mein beutesüchtiges Ego. James konnte keine positiven Gefühle mehr in mir erwecken, also hatte ich mich auf den nächstbesten Mann gestürzt, der dazu imstande war.
Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es das war. Adam war etwas Besonderes. Adam und ich waren etwas Besonderes. Jetzt allerdings nicht mehr.
Und nun verachtete er mich. Wegen der Dummheit, mit der ich auf James’ beschissene Erklärung hereingefallen war. Wegen der Geschwindigkeit, mit der ich aus Adams Bett gesprungen und mit einem anderen auf und davon gegangen war, auch wenn dieser andere mein Mann war.
Es tat wirklich weh, dass Adam so wenig von mir hielt. Allerdings konnte ich ihm keinen Vorwurf daraus machen. Ich hatte für mich selbst auch nicht besonders viel Achtung übrig.
32
N achdem ich am Dienstag mit Adam telefoniert hatte, gab ich mir große Mühe, ihn zu vergessen. Sobald er mir in den Sinn kam, verdrängte ich diese Gedanken. Ich versuchte, an angenehme Dinge zu denken, zum Beispiel das Leben Londons. Die Aussicht, in meine eigene Wohnung zurückzukehren. Daran, wie schön es sein würde, alle meine Freunde wiederzusehen. Wie interessant, wenn ich wieder arbeitete. Wie angenehm, wieder in einer Stadt zu leben, in der jeder zweite Laden ein Schuhgeschäft ist. Und mit James würde alles gut werden. Ich hätte also glücklich sein müssen. Ich hatte alles zurückbekommen, wonach ich mich im ersten Monat nach seinem Weggang so sehr gesehnt hatte.
Mein Leben würde wieder lebenswert sein. Als hätte James’ kleiner Seitensprung nie stattgefunden. Wenn ich Glück hatte, würde es mir gelingen, diese drei Monate aus meinem Leben zu streichen und so weiterzumachen wie vorgesehen. Kate würde ihren Vater haben und ich meinen Mann. Wir würden unser altes Leben wieder aufnehmen. Und wenn ich mir Mühe geben musste, ein bisschen ernsthafter, etwas weniger quirlig und mehr auf James’ Wohlergehen und Seelenfrieden bedacht zu sein, war das ein geringer Preis dafür.
Es würde nicht so unangenehm sein, wie es sich anhörte, wenn ich mich anstrengte. Ich würde in meine neue Persönlichkeit hineinwachsen. Es würde gut für mich sein und die Angst, die ich empfand, dahinschwinden.
Natürlich hing meine Trauer zum Teil damit zusammen, dass ich mich von meiner Familie trennen musste. So schlimm sie waren, ich hatte mich im Laufe der Zeit an sie gewöhnt. Ihre anarchische Vorstellung von Familienleben schien mir unendlich erstrebenswerter als das
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