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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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befand ich mich Hunderte von Kilometern entfernt in einer anderen Stadt.
    Andererseits hätte er sich ruhig ein bisschen freuen können, dass ich da war. Hätte überraschtes Entzücken zeigen können statt entsetztem Erschrecken.
    Wenn er mich wirklich liebte, sich keiner Schuld bewusst war, nichts zu verbergen hatte oder sich wegen nichts zu schämen brauchte, wäre er da nicht vor Begeisterung aus dem Häuschen gewesen?
    Er wirkte nervös. Sie wissen schon, unruhig, auf der Hut. Wahrscheinlich fragte er sich, warum ich gekommen war. Ihm war klar, dass etwas faul war.
    Schlagartig begriff ich, dass ich mir nichts eingebildet hatte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Ich brauchte nur sein Gesicht zu sehen.
    Ich darf jetzt nicht traurig sein, sagte ich mir. Später kann ich untröstlich sein und mich hängenlassen, aber jetzt muss ich stark bleiben.
    »W … wie schön, dass du hier bist«, sagte er. In seiner Stimme schwang Entsetzen mit. Er wirkte ein wenig hysterisch.
    Als ich in sein bleiches, besorgtes Gesicht sah, kam eine solche Wut in mir hoch, dass ich ihn am liebsten gebissen hätte.
    Aber ich wollte wütend sein. Wut tut gut, sagte ich mir. Sie hält den Schmerz fern. Sie gibt mir Kraft.
    Ich sah mich im Wohnzimmer um und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln, obwohl ich am ganzen Leibe zitterte.
    »Sieht hübsch aus«, sagte ich freundlich. Ich war überrascht, dass meine Stimme nicht zitterte. »Ich sehe, du hast deine Bücher und Schallplatten und alles wieder eingeräumt. Und …«
    Ich ging an ihm vorüber ins Schlafzimmer und riss den Kleiderschrank auf. »… wie ich sehe, hast du auch deine Sachen zurückgehängt. Sehr gemütlich.«
    »Claire, was tust du hier?«, brachte er heraus.
    »Freust du dich denn nicht, mich zu sehen?«, fragte ich kokett und geziert zurück.
    »Doch, natürlich!«, rief er aus. »Nur … ich meine … ich hab nicht damit gerechnet, dass du kommst … weißt du … ich dachte, du wolltest anrufen.«
    »Mir ist durchaus klar, was du gedacht hast, James«, sagte ich und fixierte ihn mit einem abschätzenden Blick.
    Ich muss sagen, trotz des Vorgefühls bevorstehenden Unheils machte mir die Sache allmählich Spaß.
    Ein kurzes Schweigen trat ein.
    »Stimmt was nicht, Claire?«, fragte er misstrauisch. Er schien Angst zu haben. Sobald ich die Wohnung betreten hatte, musste ihm klar gewesen sein, dass ich keine Sendbotin der Liebe war. Andernfalls hätte er sich nicht so schuldbewusst und furchtsam verhalten.
    Vielleicht hatte er bereits mit George gesprochen und wusste, dass ich sein doppeltes Spiel durchschaut hatte? Vielleicht hatte er eine Art Kraftprobe erwartet?
    Immerhin wollte er über das sprechen, was nicht in Ordnung war. Eigentlich ganz vernünftig, oder nicht? Vielleicht würde doch noch alles gut werden. Oder war ich einfach nur unsagbar rührselig?
    »Ja, James«, sagte ich mit schmeichelnder Stimme. »Etwas ist nicht in Ordnung.«
    »Was?«, fragte er und sah mich argwöhnisch an.
    »Ich hatte heute ein äußerst aufschlussreiches Gespräch mit George«, teilte ich ihm leichthin mit.
    »Ach ja?«, fragte er, bemüht, sich davon nicht beeindrucken zu lassen. Aber in seinem Gesicht zuckte etwas. War es Furcht? Ärger?
    »Hmmmm«, sagte ich und betrachtete meine Fingernägel. »So ist es.«
    Schweigend stand James da und sah mich an wie eine Maus die Katze.
    »Ja«, fuhr ich im Plauderton fort. »Er hat mir die Situation zwischen dir und mir völlig anders geschildert als du.«
    »Oh«, sagte er und schluckte heftig.
    »Es sieht ganz so aus, als hättest du mich immer geliebt«, sagte ich. »Und als wäre das einzige Problem, das du mit mir hattest, deine Angst, ich könnte dich verlassen.«
    Er schwieg störrisch.
    »Stimmt das, James?«, fragte ich in scharfem Ton.
    »Auf George würde ich nicht hören«, sagte er. Offenkundig hatte er seine Fassung ein wenig zurückgewonnen.
    »Genauso sehe ich das auch«, gab ich samtweich zur Antwort. »Deswegen hab ich Judy angerufen. Und rate mal, was sie mir erzählt hat – haargenau dasselbe wie er.« Wieder antwortete mir Schweigen.
    »Meinst du nicht«, fragte ich, »dass es Zeit ist, mir zu sagen, was nun stimmt?«
    »Hab ich schon getan«, brummelte er.
    »Oh nein«, korrigierte ich ihn mit lauter Stimme. »Du hast ein Verhältnis angefangen und mich an dem Tag verlassen, an dem ich dein Kind zur Welt gebracht habe, und hast später beschlossen, dass du mich zurückhaben wolltest. Statt mir das offen und ehrlich

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