Wassermelone: Roman (German Edition)
damit gerechnet, was er George gesagt hatte, würde mir nie zu Ohren kommen. Daher hatte er angenommen, er könnte einerseits George sagen, wie sehr er mich liebte, ohne befürchten zu müssen, dass ich ihm auf die Schliche käme, mir hingegen, es falle ihm schwer, einen so schwierigen und selbstsüchtigen Menschen wie mich zu lieben. Ich wusste, dass James unsicher und verletzlich war. Privat wie im Beruf musste er immer alles unter Kontrolle haben. So hatte er offenbar auch in Bezug auf mich in jeder Beziehung sicher sein wollen.
Noch immer entschlossen, der widersprüchlichen Darstellung auf den Grund zu gehen, änderte ich meine Taktik. Einerseits hätte ich James am liebsten zum Teufel geschickt, ihm erklärt, was für ein verantwortungsloser und unreifer Gefühlskrüppel er sei und dass ein Kind erkennen könne, wie er mich zu manipulieren versuche. Andererseits lag es auf der Hand, dass er Angst hatte oder verwirrt war.
Vielleicht brauchte er jemanden, der seine Ängste formulierte, weil er das nicht selbst konnte. Vielleicht war es richtig, ihn zu beruhigen. Es war einen nochmaligen Versuch wert.
»Einen Menschen zu lieben ist keine Schande«, sagte ich sanft. »Du weißt das. Es ist auch kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich deswegen manchmal unsicher fühlt. Das ist menschlich und völlig in Ordnung. Falls du George gesagt hast, dass du mich sehr liebst, hast du keinen Grund, das jetzt zu bestreiten. Ich werde es nicht gegen dich verwenden. Auch in Dublin wäre es nicht nötig gewesen, so zu tun, als liebtest du mich kaum. Großer Gott, niemand würde dich verdammen, weil du deine Frau liebst. Aber der Seitensprung war ein Fehler.« (Es fiel mir ausgesprochen schwer, das zu sagen, das können Sie mir glauben, aber ich brachte es heraus.) »Niemand ist vollkommen«, fuhr ich fort. »Wir alle machen Fehler. Du kannst mir ungescheut die Wahrheit sagen, das weißt du. Du brauchst keine Spiele zu spielen, um dich zu schützen. Wir können die Sache gemeinsam lösen und eine normale Ehe führen.« Ich hörte auf. Ich war erschöpft.
Es gab eine Pause, in der ich kaum zu atmen wagte. James saß schweigend da, den Blick zu Boden gerichtet. Jetzt kam es darauf an.
»Claire«, sagte er schließlich.
»Ja«, sagte ich angespannt und verängstigt.
»Ich weiß nicht, was für ein bescheuertes Psychogewäsch du da redest, aber ich sehe keinen Sinn darin«, sagte er. Damit war die Sache klar. Ich hatte verloren.
»Ich verstehe nicht, wo das Problem liegen soll«, fuhr er fort. »Ich hab nie gesagt, dass ich dich nicht liebe. Ich hab nur gesagt, dass du dich ändern musst, damit wir weiter zusammenleben können. Ich hab gesagt, dass du rücksichtslos bist und erwachsen werden musst …«
»Was du gesagt hast, weiß ich, James«, unterbrach ich ihn, bevor er die ganze Litanei wiederkäute. Es klang, als läse er sie von einem Manuskript ab. Oder als wäre er ein Roboter, der darauf programmiert war, die Liste immer wieder herunterzubeten – es genügte, einen Knopf zu drücken, und er legte los. Davon hatte ich inzwischen genug.
Ich hatte keine weiteren Erniedrigungen nötig, nein, wirklich, vielen Dank. Ich war außerstande, noch mehr Zorn zu schlucken. Ehrlich, keinen einzigen Mundvoll. Aber er war köstlich. Selbst gemacht?
Ich hatte mein Bestes getan. Es hatte nicht genügt, aber ich war unter keinen Umständen bereit, noch mehr zu tun. Es war einfach nicht der Mühe wert.
»Na gut«, sagte ich.
»Gut?«, fragte er.
»Ja«, bestätigte ich.
»Wunderbar«, sagte er. Es klang väterlich und selbstgefällig. »Aber bist du auch sicher? Ich möchte nicht, dass du alle paar Monate wieder mit der Sache ankommst und sie mir unter die Nase reibst.«
»Das tue ich bestimmt nicht«, sagte ich.
Mit viel Geraschel und weit umständlicher, als nötig war, nahm ich meine Zeitung und meine Tasche, stand auf und begann, mir die Jacke anzuziehen.
»Was tust du?«, fragte James, erkennbar verwirrt.
Mit erstaunter und unschuldiger Miene fragte ich ihn: »Was glaubst du?«
»Woher soll ich das wissen«, sagte er.
»Dann sag ich es dir wohl besser, was?«, fragte ich entgegenkommend.
»Äh … ja«, sagte er. Es überlief mich kalt, ihn so besorgt zu hören.
»Ich gehe«, sagte ich.
»Du gehst? «, rief er aus. »Warum zum Teufel? Wir haben doch gerade alles geklärt.« Dann lachte er erleichtert. »Großer Gott, entschuldige«, sagte er. »Einen Augenblick lang dachte ich …« Er schüttelte den Kopf über
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