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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wütend, und zum Schluss fühlte ich mich schuldig. Danach war ich wieder traurig. Ein schrecklicher Albtraum!
    Ein Gedanke sorgte dafür, dass ich nicht ganz und gar den Verstand verlor. Nichts hinderte mich daran, zu James zurückzukehren. Nur Mut! Ich konnte an jedem beliebigen Bahnhof aussteigen, den Zug in die Gegenrichtung nehmen, zur Wohnung zurückgehen und ihm sagen, dass ich im Unrecht war und wir es erneut miteinander versuchen sollten. Aber ich tat es nicht.
    So benommen, verwirrt, unsicher, konfus und verzweifelt ich war, so begriff ich doch:Wenn ich ihn wirklich geliebt hätte, wirklich bei ihm hätte sein wollen, wäre ich zurückgekehrt.
    Also wusste ich, dass ich das Richtige tat. Das dachte ich jedenfalls. Dann ging es wieder von vorn los.
    Die Hektik in Heathrow hatte sich deutlich gelegt. Alles war viel ruhiger. Es war herrlich, wie am ersten Tag des Winterschlussverkaufs.
    Ich bekam einen Platz in einer praktisch leeren Maschine. Da ich eine ganze Sitzreihe für mich hatte, konnte ich in aller Ruhe schluchzen und mich ausheulen, sofern mich das Bedürfnis danach überkam.
    Die Stewardessen schienen nicht so recht zu wissen, was sie von mir halten sollten. Immer wieder standen sie beieinander und sahen besorgt zu mir her. Vermutlich glaubten sie, ich hätte in England abtreiben lassen.

    In Dublin regnete es. Die Landebahn glänzte in der Dunkelheit. Die Ankunftshalle lag verlassen. Als ich an den bewegungslosen und stummen Gepäck-Förderbändern vorüberging, hallten meine aufreizend hohen Absätze auf dem Steinboden wider.
    Da niemand von meiner Rückkehr wusste, holte mich auch niemand ab. Es schien überhaupt niemand da zu sein, der jemanden abholen wollte.
    Mein Blick fiel auf einen einsamen Gepäckträger. Er teilte gerade einem verwirrten Mann mit, dass man es als Pech ansehen könne, einen Flug zu verpassen, zwei Flüge zu verpassen aber sei Leichtsinn.
    Mit lautem Klack-Klack ging ich an all den Geschäften vorüber, vor denen die Scherengitter herabgelassen waren, an der verdunkelten Wechselstube und den verlassenen Schaltern der Mietwagenfirmen. Schließlich erreichte ich den Ausgang.
    Ein einziges Taxi wartete in der regennassen Nacht. Der Fahrer las Zeitung. Er sah aus, als stünde er schon seit mehreren Tagen da.
    Er fuhr mich in unerwartetem Schweigen nach Hause. Die einzigen Geräusche kamen von den Scheibenwischern und vom Regen, der auf das Wagendach trommelte.
    Wir fuhren durch schlafende Vorstädte, bis er mich schließlich vor unserem Haus absetzte. Alle Fenster waren dunkel. Ich dankte ihm freundlich für die Fahrt. Er dankte mir freundlich für den Betrag, den ich ihm gab. Wir verabschiedeten uns. Es war zehn nach eins.
    Leise ging ich ins Haus. Ich wollte niemanden wecken. Nicht etwa aus Rücksicht auf die anderen, fürchte ich. Sondern weil ich keine der unvermeidlichen Fragen beantworten wollte.
    Ich sehnte mich danach, Kate zu sehen, doch sie war nicht in meinem Zimmer. Mum hatte wohl nicht mit meiner Rückkehr gerechnet und ihr Bettchen mit ins Elternschlafzimmer genommen.
    Aber ich wollte Kate im Arm halten. Sie fehlte mir so sehr. Auf Zehenspitzen schlich ich mich zu meinen Eltern ins Schlafzimmer, um Kate zu holen, wobei ich verzweifelt hoffte, Mum nicht zu wecken.
    Was mir gelang. Dann fiel ich erschöpft ins Bett und schlief mit Kate in meinen Armen ein.

36
    A ls ich am nächsten Morgen erwachte, fühlte ich mich ein wenig besser. Nicht von meinem Kummer geheilt oder dergleichen, aber eher bereit, darauf zu warten, dass es besser würde und der Schmerz aufhörte.
    Ich hatte die Entscheidung getroffen, nicht wieder mit James zusammenzuleben, und nach dem Prinzip der sofortigen Bedürfnisbefriedigung gehofft, mich gleich darauf großartig zu fühlen. Ich hatte erwartet, dass mir nach dem Grundsatz »Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen!« die Früchte meines Entschlusses sogleich in den ungeduldigen Schoß fallen würden. Ich wollte mich von allem lösen, was zu meinem früheren Leben gehörte, nicht die Spur einer Empfindung für James übrig behalten, nicht den leisesten Zweifel, nicht die kleinste Unentschiedenheit. Ich wollte eine augenblickliche wunderbare Verwandlung. Und – dass mich die Beziehungsfee mit ihrem Zauberstab berührte und mit ihrem glitzernden Zauberpulver bestäubte, sodass ich von einem Augenblick auf den anderen alles vergaß, was ich je für James empfunden hatte, ja sogar, dass er je existiert hatte.
    Am liebsten hätte ich meinen Kummer

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