Wassermelone: Roman (German Edition)
und Chipstüten. Einen Augenblick blieb Adam stehen. Er überragte Anna und mich auf unseren Sonnenliegen turmhoch. Er wirkte nicht besonders entspannt, eher befangen und ein bisschen unfreundlich. Von seinem üblichen lockeren Charme war nichts zu sehen.
Mein Herz pochte. Ich hatte den Eindruck, schrecklich im Nachteil zu sein. Gott im Himmel, warum hatte Helen nicht ankündigen können, dass sie den schönen Adam mitbringen würde! Ich hätte mich zurechtmachen und einen hübschen Bikini anziehen können. Als ich sagte, dass ich mit abgeschnittenen Shorts und einem Bikini-Oberteil im Garten lag, wollte ich damit keine Sekunde andeuten, ich hätte wie eine dieser appetitlichen Puppen aus Baywatch ausgesehen. Großer Gott, nein! Die Shorts aus wirklich abscheulichem Jeansstoff waren uralt und noch dazu aberwitzig abgeschnitten. Sie sahen an mir scheußlich aus und machten einen richtigen Breitwandhintern. Und die Lycra-Fasern meines Bikini-Oberteils waren ausgeleiert, sodass es richtig schlabberte.
Hier haben wir den Unterschied zwischen der Werbung und dem richtigen Leben. Immer wenn in einem solchen Filmchen ein Mann unverhofft nach Hause kommt, hat seine Frau zufällig gerade geduscht und sich mit duftender Körperlotion eingerieben. Ihr Haar ringelt sich in nassen Löckchen unter dem Handtuch hervor, und sie sieht auf völlig unschuldige und natürliche Weise so absolut großartig aus, dass man sich übergeben muss.
Im wirklichen Leben kann man wetten, dass unsereins dann am allerallerschlimmsten aussieht, wenn der Mann, den man mag/liebt/haben möchte, unerwartet auftaucht. Jedenfalls war das bei mir immer so. Sie haben da vielleicht etwas mehr Glück.
Wenn er doch nicht einfach dastehen und auf mich herabsehen würde, dachte ich nervös.
»Adam, du stehst mir in der Sonne«, sagte ich und versuchte, es spaßig klingen zu lassen. »Setz dich doch.« Er setzte sich. Es war verblüffend, wie anmutig das Hinsetzen bei einem so großen und breitschultrigen Mann aussehen konnte. ’tschuldigung, ich hätte das nicht bemerken sollen. Ich hätte mit Sicherheit nichts darüber sagen sollen.
Er lächelte zu Anna hinüber.
»Hallo«, sagte er.
»Hallo, Adam«, säuselte sie.
»Na, wie geht’s?« Es klang, als interessiere es ihn wirklich.
Wieso fragst du sie und nicht mich?, hätte ich fast gerufen.
»Gut«, sagte Anna und lächelte scheu zurück.
»Großer Gott«, murmelte Helen und warf Anna einen Blick zu, in dem deutlich erkennbar der Vorwurf »erbärmliches Weibsstück« lag.
Adam und Anna murmelten weiter miteinander. Dann wandte Helen ihre Aufmerksamkeit mir zu.
»Runter da«, befahl sie und versuchte, mich von der Sonnenliege zu schubsen. »Ich hatte grad eine Prüfung und muss mich hinlegen.«
»Von mir aus«, sagte ich und stand auf. »Ich wollte sowieso grade gehen.«
Es war mir wichtig, sie wissen zu lassen, dass sie mich nicht gezwungen hatte, meine Liege aufzugeben, sondern dass ich aus freien Stücken ging. Kindische Machtspiele.
»Ach ja«, sagte Anna rasch, mit einem Gesicht so rot wie eine Tomate. »Ich geh auch.«
»Wohin gehst du?«, fragte Helen mich.
»Rein«, sagte ich.
»Ist ja großartig«, sagte sie. Sie war richtig sauer. »Ich hatte grad ’ne schwere Prüfung und muss heut abend noch den ganzen Stoff für Anthropologie lernen, und du willst nicht mal fünf Minuten hierbleiben und dich mit mir unterhalten, damit ich mich ein bisschen entspannen kann.«
»Aber für Kate ist es zu heiß«, sagte ich.
»Geh schon«, sagte sie finster. »Geh.«
Sie sah zu Adam hinüber. »Wir fangen in zehn Minuten an, in Ordnung?«
»In Ordnung«, stimmte er zu.
»Was machen wir zuerst?«, fragte sie.
»Was möchtest du als Erstes machen?«, gab er zurück.
Genau die richtige Antwort. Offensichtlich wusste er, wie man mit Helen umgehen musste.
»Vielleicht könnten wir uns mit Familien beschäftigen, in denen es nicht funktioniert«, sagte Helen mit boshaftem Lachen. »Darüber weißt du doch so gut Bescheid.«
»Helen«, mahnte Anna mit entsetzter Stimme.
»Was denn?«, sagte Helen kampflustig. »Ich hab nur Spaß gemacht. Außerdem weiß er es tatsächlich. Stimmt doch?«, fragte sie Adam.
»Ich glaube schon«, sagte er entgegenkommend.
Das genügte. Ich wollte nicht länger bleiben. Ich nahm Kate auf und ging mit ihr über den Rasen (Rasen! Was für ein Witz!). Die paar Meter kamen mir vor wie Dutzende von Kilometern. Ich konnte an nichts anderes denken, als dass sich Adams
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