Wassermelone: Roman (German Edition)
kennenzulernen, sollte man doch lieber froh sein, dass man sich überhaupt getroffen hat, oder nicht?
Ich empfand sehr deutlich, dass ein Kapitel meines Lebens zu Ende gegangen war. Ich bereitete mich auf die Rückkehr nach London vor, sowohl was meine Gefühle als auch was meine Kleidung betraf.
Ich begann zu packen. Wie berauscht trug ich alles an Klamotten zusammen, was mir in die Finger fiel. Dabei warf ich mein Netz weit aus, stöberte in allen Kleiderschränken im Haus herum, vor allem in Helens, und ließ keine Schublade ungeöffnet, keinen Kleiderbügel uninspiziert.
Obwohl ich mich weiterhin mit allen in meiner Familie herumstritt, wusste ich, dass es grässlich sein würde, sie zu verlassen. Vor allem der Abschied von meiner Mutter würde mir schwerfallen. Nicht nur weil es so praktisch war, dass sie sich um Kate kümmern konnte. Nein wirklich, im Ernst, ich wusste, dass sie mir entsetzlich fehlen würde. Ein erneuter Abschied vom Elternhaus. Eigentlich schlimmer als beim ersten Mal vor sieben Jahren, denn damals war ich voll Begeisterung aufgebrochen und hatte in meiner Eile, meine bevorstehende Freiheit richtig zu genießen, gar nicht schnell genug verschwinden können.
Jetzt war das anders. Ich war sieben Jahre älter und müder. Die Aussicht, meine eigenen Sachen zu bügeln und meine Rechnungen selbst zu bezahlen, war nichts Neues mehr.
Aber ich musste nach London zurück. Schließlich war dort meine Arbeit, und mir war nicht aufgefallen, dass mir in Dublin jemand die Tür eingerannt hätte, um mir eine Stelle anzubieten. Allerdings hatte ich mich, offen gestanden, auch um keine bemüht.
Wichtiger aber war, dass Kates Vater in London lebte. Ich wollte, dass sie ihn oft sah, dass sie wusste, sie hatte einen Vater, der sie liebte (nun, ich war sicher, er würde sie lieben, wenn er sie besser kannte), dass es in ihrer Kindheit und Jugend einen Mann gab. Ich war nämlich nicht sicher, ob ich bei ihr die Vaterrolle hätte übernehmen können, wenn sie das gewollt hätte. Vielleicht würde ich eines Tages einen anderen Mann kennenlernen, aber große Hoffnungen machte ich mir da nicht.
Als ich jetzt daran dachte, meldeten sich weitere Sorgen. Wenn Kate nun den neuen Mann nicht leiden konnte? Wenn sie eifersüchtig würde, einen Wutanfall bekam und davonlief? Großer Gott!
Darüber würde ich mir jetzt den Kopf nicht zerbrechen. Es war wohl ein bisschen voreilig, wo ich doch schon alle Hände voll damit zu tun hatte, mich darüber zu grämen, dass ich wohl nie wieder einen Mann kennenlernen würde.
Na ja, so ernst habe ich das nun auch wieder nicht gemeint. Ich litt nicht darunter, dass ich nie wieder einen Mann haben würde. Ich machte mir einfach ein bisschen Sorgen.
Ich beschloss, am 15. Juli nach London zurückzukehren. So konnte ich mich mit Kate an die neue Wohnung gewöhnen und jemanden finden, der sich um sie kümmerte, bevor ich wieder arbeiten musste.
Dann stieß ich, wie nicht anders zu erwarten, auf völlig neue Sorgen. Wie konnte ich mich um Kate kümmern, wenn ich allein war? Ich war inzwischen so davon abhängig geworden, dass meine Mutter da war und mir erklärte, warum Kate nicht aufhörte zu schreien, zu essen, sich zu erbrechen oder was auch immer.
»Du kannst mich jederzeit anrufen«, versprach Mum.
»Danke«, sagte ich unter Tränen.
»Und ich bin sicher, dass du klarkommst«, sagte sie.
»Meinst du?«, fragte ich kläglich. Zwar war ich fast dreißig, konnte mich aber in der Nähe meiner Mutter immer noch wie ein Kleinkind aufführen.
»Aber ja«, sagte sie. »Wie stark ein Mensch ist, weiß er erst, wenn er es sein muss.«
»Da hast du vermutlich recht«, gab ich zu.
»Bestimmt«, sagte sie fest. »Sieh dich an. Du bist doch eigentlich ganz gut zurechtgekommen, trotz allem, was du durchgemacht hast.«
»Möglich«, sagte ich zweifelnd.
»Wirklich«, sagte sie. »Vergiss nicht: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.«
»Bin ich stärker?«, fragte ich matt mit meiner kindlichsten Stimme. »Großer Gott«, sagte sie. »Wenn du so sprichst, frag ich mich das auch.«
»Oh«, sagte ich betroffen. Ich wollte, dass sie nett zu mir war und mir sagte, ich sei großartig und könne mit allem fertigwerden.
»Claire«, sagte sie. »Es hat keinen Sinn, mich zu fragen, ob du stärker bist. Das musst du wissen.«
»Gut, dann bin ich es«, sagte ich kampflustig.
»Schon besser.« Sie lächelte. »Und vergiss nicht. Du hast das gesagt, nicht ich.«
Am Mittwoch vor
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