Wassermelone: Roman (German Edition)
riesiges Fass siedendes Öl über sie. Sie können mir glauben, das war ein Fortschritt.
Also beschloss ich, mich unauffällig wieder der Welt zuzuwenden, verletzt und gebeugt zwar, aber nicht gebrochen.
Während des Einschlafens überlegte ich mir, dass ich es eigentlich recht gut hatte. Was eine grundlegende Abkehr von der Haltung war, die ich während des vergangenen Monats an den Tag gelegt hatte.
Ich hatte eine schöne Tochter. Ich hatte eine Familie, die mich liebte. Zumindest würde sie mich gewiss wieder lieben, wenn ich erst mal aufhörte, mich wie der Antichrist aufzuführen. Ich war noch ziemlich jung. Ich hatte eine Stelle, die ich in fünf Monaten wieder antreten konnte. Ich war gesund (sonderbar – ich hätte nie geglaubt, dass ich das sagen würde, bevor ich neunzig war). Und vor allem, obwohl ich keine Ahnung hatte, woher, hatte ich Hoffnung.
Ich schlief wie ein Kleinkind. Eigentlich stimmte das nicht. Wurde ich etwa alle zwei Stunden wach und brüllte wie ein Löwe, weil ich gefüttert werden wollte oder mir die Windeln vollgemacht hatte? Nein. Aber ich schlief friedlich. Das war schon eine ganze Menge.
Gern würde ich berichten, dass am nächsten Morgen, als ich wach wurde, der Regen aufgehört hatte, die Wolken fort waren und die Sonne an einem neuen Tag am blauen Himmel stand.
Der Sonnenschein hätte sozusagen die Sonne in meinem Herzen widerspiegeln können, und die schwarzen Regenwolken wären ebenso verschwunden wie meine tiefe Verzweiflung.
Ich glaube, es gibt sogar ein Lied darüber. Aber so ist das wirkliche Leben nicht. Es nieselte nach wie vor. Was soll’s?
Ich erwachte wie gewöhnlich bei Morgengrauen und fütterte Kate. Sacht sondierte ich meine Empfindungen, so wie man mit der Zunge um einen schmerzenden Zahn herum über das Zahnfleisch fährt. Zu meiner großen Freude entdeckte ich, dass sich meine Stimmung gegenüber dem Vorabend nicht geändert hatte. Ich fühlte mich immer noch lebendig und voller Hoffnung. Es war einfach überwältigend.
Ich schlief wieder ein und erwachte erneut gegen elf. Im Bad ging es hoch her. Offensichtlich hatte Helen in ihrer Brust einen Knoten entdeckt und schrie Zeter und Mordio. Mum kam die Treppe heraufgerannt, und ich hörte, wie sie Helen nach einer kurzen Besichtigung wütend anbrüllte: »Helen, das ist kein Knoten in deiner Brust, das ist deine Brust .«
Während meine Mutter die Treppe wieder hinabpolterte, brummelte sie vor sich hin: »Einen Menschen so zu Tode erschrecken, dass man fast einen Herzschlag kriegt … Ich bring sie noch um.«
Helen zog sich an und ging in die Uni. Dann duschte ich. Ich wusch mir sogar die Haare. Danach räumte ich mein Zimmer auf.
Ich holte die beiden leeren Wodkaflaschen unter dem Bett hervor, nahm die leeren Apfelweindosen, die Orangensafttüten und steckte alles in einen Müllsack.
Als Nächstes suchte ich alle Gläser zusammen, die ich im Verlauf der vergangenen Wochen benutzt hatte, und stellte sie in Reih und Glied auf, um sie nach unten zu bringen und in die Spülmaschine zu stellen. Ich sammelte die Scherben des Glases ein, das ich an einem besonders schlimmen Abend betrunken gegen die Wand geschleudert hatte, und wickelte sie in eine alte Zeitung.
Die wichtigste symbolische Handlung aber war, dass ich alle Exemplare von Hello wegwarf. Mehrere hundert ›luxuriöser Landsitze‹ landeten mit einem Schlag im Müll.
Ich fühlte mich sauber und geläutert. Ich wollte keine beschissenen Illustrierten mehr lesen. Ab sofort würde ich mir eine Diät aus den wichtigsten Wirtschaftsblättern und dem Nachrichtenmagazin Time verordnen.
Ganz selten nur würde ich einen Blick in Marie Claire werfen, die Dad jeden Monat kaufte, angeblich für Helen und Anna, in Wirklichkeit aber für sich selbst.
Er liebte es nachgerade. Obwohl er es als Weiberkram abtat. Oft überraschten wir ihn, wie er sie heimlich las. Wobei er seine Haushaltspflichten vernachlässigte.
Oft vertiefte er sich in Artikel, in denen es um die Beschneidung junger Mädchen, zwanghaftes Sexualverhalten oder die besten Möglichkeiten der Beinenthaarung ging, während die Teppiche ungesaugt blieben.
Nachdem ich mir das Problem über einen Monat hatte durch den Kopf gehen lassen, beschloss ich, mich anzuziehen. Und soll man es glauben: Als ich James’ Jeans anprobierte, die ich auf dem Flug von London getragen hatte, passte sie mir nicht mehr!
Ich meine, sie war viel zu weit . Das ist der Vorteil, wenn man einen Monat von Wodka und
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