Wassermelone: Roman (German Edition)
ihn freundlich.
»Ach ja«, sagte er. »Und es richtet dein Aussehen zugrunde.«
»Dad, es tut mir schrecklich leid«, erwiderte ich. »Ich weiß, dass ich mich euch allen gegenüber abscheulich aufgeführt und euch große Sorgen gemacht habe, aber damit ist jetzt Schluss. Das verspreche ich.«
»Braves Mädchen.« Er lächelte mir zu. Ich kam mir vor, als wäre ich wieder dreieinhalb.
»Es ist bestimmt nicht einfach für dich«, sagte er.
»Kein Grund, mich wie ein Monster aufzuführen«, gab ich zurück.
Schweigend saßen wir einige Minuten lang da. Man hörte nur Kates glückliches Schnarchen und mein unterdrücktes Schniefen. Vielleicht war sie genauso froh wie alle anderen, dass man mir endlich die Leviten gelesen hatte.
»Wirst du zukünftig die anderen fernsehen lassen, was sie wollen?«, fragte mein Vater.
»Selbstverständlich.« Ich heulte los.
»Und wirst du uns nicht mehr anbrüllen?«, fuhr er fort.
»Nein«, sagte ich und ließ den Kopf hängen.
»Und wirst du aufhören, mit Gegenständen zu werfen?«
»Ja.«
»Du bist ein braves Mädchen«, sagte er mit schiefem Lächeln. »Ganz gleich, was deine Mutter und deine Schwestern sagen.«
8
N ach dieser Standpauke gab mir Dad – ungeschickt, aber immerhin – einen Kuss und sagte, er habe mich lieb. Dabei konnte er mir nicht in die Augen sehen. Dann fasste er sacht Kate an einem ihrer weichen rosa Füßchen, schüttelte es ein wenig und ging hinaus.
Lange lag ich auf meinem Bett und dachte über seine Worte nach – wie auch über das, was ich zufällig davor aus dem Mund meiner Mutter und meiner Schwestern gehört hatte.
Irgendeine Veränderung stellte sich ein. Irgendeine Art Frieden legte sich auf meine Seele. Das Leben geht weiter. Sogar meines.
Ich hatte die letzten Monate damit verbracht, mich aus der Verpflichtung gegenüber dem Leben zu lösen. Ich hatte im Übermaß geschlafen, getrunken, mir Bewegung verschafft, mich nicht gewaschen. Mit alldem hatte ich mir das Leben vom Leibe gehalten. Ohne James zu leben und die damit verbundene Zurückweisung zu ertragen, war einfach zu schrecklich.
Ich wollte mein Leben nicht. Jedenfalls nicht diese Art von Leben. Also hatte ich beschlossen, ganz ohne es auszukommen.
Aber das Leben lässt sich nicht unterdrücken, und ganz gleich, wie viel Mühe ich mir gab, so zu tun, als wäre es nicht da, steckte es den Kopf durch alle möglichen Löcher in meinen Schutzwall und wollte mit mir spielen.
»Ach, da bist du«, sagte es und hüpfte übermütig wie ein Gummiball, während ich allein auf meinem Bett lag, Wodka mit Orangensaft trank und die unvermeidliche Illustrierte neben mir liegen hatte. »Ich hab dich überall gesucht. He, das sieht aber nicht sehr lustig aus. Komm mit, wir gehen zu ein paar Leuten. Wir wollen uns amüsieren und ein bisschen lachen.«
»Hau ab und lass mich zufrieden«, gab ich zur Antwort. »Mir geht es auch so ganz gut. Ich will mit keinem reden. Aber wo ich gerade schon mit dir rede – du könntest mir ’ne Flasche Smirnoff mitbringen, wenn du an ’nem Schnapsladen vorbeikommst.«
Doch nachdem Dad mit mir gesprochen hatte, beschloss ich weiterzuleben. Außerdem musste ich aufhören, nur an mich zu denken. Unbedingt. Was ich auch schaffen würde.
Nach wie vor liebte ich James sehr. Ich wollte ihn nach wie vor. Ich war immer noch todunglücklich. Er fehlte mir wie eins meiner eigenen Glieder. Wahrscheinlich würde ich mich auch noch das nächste Jahrhundert hindurch jeden Abend in den Schlaf weinen.
Aber mein Verlust lähmte mich nicht mehr. James hatte mich mit dem Kricketschläger seiner Untreue und seines Verrats an den Knöcheln getroffen, sodass ich gestürzt war. Dort lag ich, keuchte vor Schmerz und war unfähig aufzustehen. Aber meine Wunden waren nur Abschürfungen, wenn auch schlimme. Nichts war gebrochen, wie ich zuerst angenommen hatte. Also versuchte ich mühsam, auf die Beine zu kommen, um zu sehen, ob ich noch gehen konnte. Obwohl ich stark humpelte, entdeckte ich zu meiner Freude, dass es ging.
Ich sage nicht, dass ich nicht eifersüchtig oder wütend war. Das war ich durchaus. Aber es war nicht so schlimm. Das Gefühl war nicht so bedeutend. Nicht so mächtig. Nicht so entsetzlich. Sagen wir mal so: Ich hätte nach wie vor gern eine Gelegenheit gehabt, Denise eins in die Magengrube zu geben oder James ein blaues Auge zu schlagen, aber ich schlich mich in meinen Fantasien nicht heimlich in ihr Liebesnest und goss, während sie schliefen, ein
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