Wassermelone: Roman (German Edition)
in die Küche. Offenbar war sie gerade nach Hause gekommen. Mit all den Tüchern, dem langen durchsichtigen Häkelrock und ihrem bunten Schmuck sah sie auf eine ethnische, ätherische Weise sehr hübsch aus. Offenbar kannte sie Adam schon.
»Hallo, Adam«, sagte sie munter und erkennbar entzückt, wobei sie vor Freude rot anlief. Werden eigentlich alle Frauen rot, denen er begegnet?, fragte ich mich. Oder galt das nur für die Frauen unserer Familie?
Irgendwie vermutete ich, dass das nicht der Fall war.
Welche Hoffnung für das spätere Leben gab es bei einem so jungen Mann, wenn er derart stark auf Frauen wirkte? Er konnte nur noch ein totaler Mistkerl werden, der es für ganz natürlich hielt, dass Frauen so selbstverständlich in Ohnmacht fielen, weinten, kreischten und sich in ihn verliebten, wie sie atmen.
Es konnte nicht in seinem Interesse sein, so gut auszusehen. Eine oder zwei leichte Entstellungen waren da durchaus am Platze. Wenn das Schicksal mit Pickeln sparte, würde es den Mann ins Unglück treiben.
»Hallo, Anna.« Er lächelte ihr zu. »Nett, dich mal wieder zu sehen.«
»Äh, ja«, murmelte sie und errötete noch mehr. Dabei stieß sie eine Tasse um. Wahrscheinlich waren inzwischen sogar schon die Innenseiten ihrer Lider rot.
Ich verstand sie. Vermutlich war in meinem Gesicht kein einziges Blutgefäß mehr heil, nachdem ich vor einer Weile unter Adams Blick rot geworden war. Bestimmt war jede Kapillare in meinen Wangen geplatzt, wie die Blasen, die in einem Champagnerglas an die Oberfläche steigen.
Das Tischgespräch war nicht gerade brillant. Helen, die noch nie mit irgendwelchen beispielhaften Gastgeberinnen-Tugenden hervorgetreten war (es sei denn, man betrachtet ihre Ruppigkeit als beispielhaft), las in einer Illustrierten (ein Exemplar von Hello . Wie mochte das der Aufräumaktion entronnen sein, überlegte ich), während wir aßen.
»Helen, tu das weg«, forderte mein Vater sie mit Nachdruck auf. Ihr Verhalten war ihm sichtlich peinlich.
»Hör doch auf, Dad«, gab sie gleichmütig zurück, ohne auch nur den Blick zu heben.
Ab und zu allerdings sah sie zu Adam hin und schenkte ihm ein kleines Hexenlächeln. Er sah sie dann vollständig hingerissen an und lächelte zurück, nachdem er ihrem Blick eine Weile standgehalten hatte.
Man hätte die sexuelle Spannung mit einem Brotmesser schneiden können.
Anna, die nicht einmal unter den günstigsten Umständen als Kandidatin für ein Fernsehquiz in Frage gekommen wäre, stand so unter Adams Bann, dass sie in seiner Anwesenheit die Sprache vollständig verloren zu haben schien.
Sobald er eine Frage an sie richtete, kicherte sie haltlos, ließ den Kopf hängen und verhielt sich wie eine Art Dorftrottel.
Es konnte einen wirklich aufregen.
Schließlich war er nur ein Mann, noch dazu ein sehr junger, und nicht irgendeine Art Gottheit.
Mum und Dad schoben ihre Spaghetti nervös auf dem Teller herum. Auch sie sagten nicht viel.
Dad unternahm einen kurzen Versuch, mit Adam zu sprechen.
»Rugby?«, fragte er ihn so leise, als wäre er Mitglied in einer Geheimgesellschaft und wollte feststellen, ob Adam ihr ebenfalls angehörte.
»Wie bitte?«, fragte Adam und warf meinem Vater einen verständnislosen Blick zu. Es war klar, dass er gern begriffen hätte, was ihm Dad mitteilen wollte.
»Rugby? Vielleicht Mittelstürmer?«
»Äh, hm, ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Ob Sie Rugby spielen?« Mein Vater beschloss, seine Karten auf den Tisch zu legen.
»Nein.«
»Oh«, seufzte Dad wie ein Ballon, dem die Luft entwich.
»Aber ich seh es mir gern an«, sagte Adam tapfer.
»Ach was!«, sagte mein Vater, wandte ihm praktisch den Rücken zu und machte seiner Enttäuschung mit einer wegwerfenden Armbewegung Luft.
Das dürfte das Ende dieses zarten Freundschaftspflänzchens gewesen sein.
Aus irgendeinem Grund hielt ich es für meine Pflicht, mit unserem Besucher Konversation zu machen. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass ich mich daran gewöhnt hatte, mich in zivilisierten Kreisen zu bewegen, in denen man Gäste als Gäste behandelt und nicht wie Leute, die man zum Abendessen einlädt, mit einem Haufen wildfremder Menschen zusammensteckt, ohne sich dann weiter um sie zu kümmern.
Falls ich es einmal gesagt habe, muss ich es tausendmal gesagt haben, aber ich verstehe nicht, wie Helen mit ihrem Verhalten durchkam.
»Du bist also im selben Studienjahr wie Helen?«, fragte ich ihn mit falscher Munterkeit, darauf bedacht, irgendeine
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