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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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als säße Superman in unserer Küche, oder als wäre Mel Gibson auf eine Tasse Tee vorbeigekommen.
    Innerlich zog ich vor Helen den Hut. Diesmal hatte sie wirklich einen guten Griff getan. Adams wohltuend gutes Aussehen war eine willkommene Abwechslung, wenn man an das schlaksige Elend von Jim/Conor/William dachte. Noch ein paar Jahre, und er würde Verheerungen unter den Frauen anrichten.
    Ich stellte die Salatschüssel mitten auf den Tisch, tat Spaghetti und Soße auf die Teller und stellte sie vor die Esser.
    Meine Eltern und Helen wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten. Dad und Helen standen selbstgekochtem Essen grundsätzlich misstrauisch gegenüber. Nicht ohne Grund.
    Was sie in der Vergangenheit hatten leiden müssen, gab ihnen weiß Gott das Recht, misstrauisch zu sein. Vermutlich erinnerte sie, was jetzt vor ihnen stand, an alle kulinarischen Katastrophen, die Mum angerichtet hatte.
    Selbstverständlich war meine Mutter nur allzu gern bereit, Öl ins Feuer zu gießen. Sofern sie die beiden dazu veranlassen konnte, dass sie sich einfach weigerten, meine Mahlzeit zu essen, würde das bedeuten, dass ich in Zukunft nicht mehr kochte, womit die alte Ordnung wiederhergestellt und Mum aus dem Schneider wäre.
    Als ich den Teller vor Helen stellte, gab sie Geräusche von sich, als müsse sie sich übergeben. »Ööööh«, machte sie und sah den Teller angewidert an. »Was zum Teufel ist das?«
    »Spaghetti und Soße«, sagte ich, die Ruhe in Person.
    »Das soll Soße sein?«, kreischte sie. »Die ist ja grün .«
    »Richtig«, bestätigte ich, ohne ihre Beobachtung auch nur eine Sekunde zu bestreiten. »Soßen können durchaus grün sein.«
    Adam rettete die Situation, indem er mit großem Appetit aß.
    Vermutlich war er einer jener mittellosen Studenten, die mitunter monatelang nichts Richtiges in den Magen bekommen und bereit sind, alles zu vertilgen, was man vor sie hinstellt.
    Jedenfalls tat er, als schmecke es ihm. Mir genügte das.
    »Einfach köstlich«, sagte er, ohne weiter auf Helens Theater zu achten. »Du solltest es wirklich probieren, Helen.«
    Sie sah ihn mit wildem Blick an. »Ich denke nicht daran. Es sieht widerlich aus.«
    Mit angehaltenem Atem und vor Entsetzen erstarrtem Gesicht sahen Dad, Mum und Helen auf Adam, während dieser einen Mundvoll Nudeln mit Soße schluckte. Offensichtlich warteten sie darauf, dass er tot umfiele.
    Als er sich auch nach etwa fünf Minuten noch nicht wie ein Opfer der Borgias schreiend auf dem Boden wälzte und flehte, man möge ihn von seinem Leiden erlösen, steckte auch mein Vater zögernd eine Gabel voll Spaghetti in den Mund.
    Ich würde ja jetzt gern sagen, dass es mir gelang, einen nach dem anderen von der Unrichtigkeit ihres Vorurteils zu überzeugen, und wir einander als Ergebnis meiner Kochkunst umarmt und sie ihren Irrtum mit schuldbewusstem Lächeln und verständnislosem Kopfschütteln eingestanden hätten. Etwa so wie in einer amerikanischen Komödie.
    Aber das kann ich leider nicht. Obwohl der schöne Adam das von mir zubereitete Mahl ausdrücklich gebilligt hatte, weigerte sich Helen mit verzerrtem Gesicht und unter wildem Zucken ihres Körpers lautstark, es auch nur zu berühren. Stattdessen machte sie sich ein paar Scheiben Toast. Déjà-vu oder so.
    Dad aß einen Happen und erklärte, dass es zweifellos großartig sei, er aber mit seinem einfachen Geschmack eine derart raffinierte exotische Küche unmöglich schätzen könne. Wörtlich: »Ich bin ein unkomplizierter Mensch und hab mit fünfunddreißig mein erstes Zitronenbaiser probiert.«
    Auch meine Mutter kostete ein bisschen und machte dabei ein gequältes Gesicht. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass es eine Sünde sei, gutes Essen zu vergeuden. Auch schlechtes Essen.
    Nur deshalb aß sie es. Ihre Haltung schien zu sein, dass wir auf Erden leiden sollen und man ihr diese Abendmahlzeit als eine Art Buße auferlegt hatte, sie aber, wenn sie die Wahl hätte, ob sie mit einem gebrochenen Bein auf den Croagh Patrick klettern oder ihren Teller Spaghetti leeren sollte, lieber jederzeit ihre Bergschuhe schnüren würde.
    Gleichzeitig aber fiel es ihr sehr schwer, ihre hämische Freude darüber zu unterdrücken, dass sich Dad und Helen weigerten, meine Spaghetti zu essen.
    Immer wenn unsere Blicke sich trafen, kostete es sie offenbar eine gewisse Mühe, ein gleichmütiges Gesicht zu machen. Auch wenn sie eher gestorben wäre, als es zuzugeben – sie war sehr zufrieden.

    Dann kam Anna

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