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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Kerry unterwegs war, wird gebeten, sich in einer dringenden Familienangelegenheit mit der Polizei in Dublin in Verbindung zu setzen.«
    Aber es sah ganz so aus, als wäre das »Wir« nicht einfach verschwunden, sondern tot. James hatte es auf dem Gewissen. Und es hatte kein Testament hinterlassen.
    Theoretisch verfällt alles, das einem »Wir« gehört, bei dessen Tod dem Staat. In der Praxis würde etwas so Surrealistisches und Lächerliches natürlich nicht passieren. Also her mit der Säge.

    Sie sehen, ich war fest überzeugt, dass es nur eine Möglichkeit gab, mit unangenehmen Situationen fertigzuwerden – und wenn meine gegenwärtige Lage nicht unangenehm war, was war sie dann? Die einzige Lösung bestand darin, tief durchzuatmen, sich den Dingen zu stellen, ihnen unverwandt ins Auge zu blicken und ihnen zu zeigen, wer der Herr im Haus ist.
    Man musste den Stier bei den Hörnern packen. Oder man schluckte die bittere Pille.
    Falls mich jemand um Rat fragte, wie man mit einer bedrohlichen Situation fertigwird, würde ich ihm genau das sagen.
    Ich war fest von der Richtigkeit dieser Haltung überzeugt. Vielleicht würde ich sogar eines Tages meinen eigenen Rat befolgen und so handeln.
    Ich hatte nämlich trotz meiner Überzeugung, dass es keine bessere Möglichkeit gibt, mit unangenehmen Dingen fertigzuwerden, nie den Mut aufgebracht, das auch in die Tat umzusetzen.
    Meine Fähigkeit, unangenehmen Dingen auszuweichen, war außerordentlich entwickelt. Ich hätte sie im Namen Irlands vor mir herschieben können.
    Obervorsichherschieberin Hauptmann Claire Webster, geborene Walsh, meldet sich zum Dienst!
    Mein Wahlspruch hieß: »Was du heute sollst besorgen, das verschieb getrost auf morgen – oder am besten gleich auf nächste Woche.«
    Dieser hübsche, markige Wahlspruch enthielt meiner Ansicht nach eine ganze Portion Lebensweisheit.

    Um meine Haltung zusammenzufassen: Ich habe wohl noch nie im Leben nach einer Abendessen-Einladung abgespült.
    Immer wieder hatte ich mir das vorgenommen, denn es war ein zu übler Gedanke, am nächsten Morgen mit einem Kater aufzuwachen und nicht nur schmutzige Teller, sondern obendrein eine Küche vorzufinden, die wie ein Schlachtfeld aussah.
    Aber Sie wissen ja, wie das ist.
    Das Ende des Abends ist gekommen, auf dem Tisch türmen sich halbleere Teller mit vor sich hinschmelzendem Häagen-Dasz-Eis, das ich eigentlich gar nicht mehr kaufe.
    Nun muss ich zu meiner Entschuldigung sagen, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt gewöhnlich eine vorbildliche Gastgeberin bin, die ihren Gästen buchstäblich jeden Wunsch von den Augen abliest, Teller, Schüsseln und Besteck zwischen Küche und Esszimmer hin und her trägt, als wäre sie ein lebendes Förderband.
    Allerdings nimmt mein Pflichtbewusstsein als Gastgeberin direkt proportional zur Zahl der Gläser Wein ab, die ich getrunken habe.
    Bis Nachtisch und Kaffee auf den Tisch kommen, bin ich gewöhnlich so entspannt (na schön, so betrunken, wenn Sie die Dinge unbedingt beim Namen nennen wollen), dass ich kein Bedürfnis mehr habe, den Tisch abzuräumen.
    Wäre der Tisch vor mir unter der Last des nicht abgeräumten Geschirrs zusammengebrochen, hätte ich einfach gelacht.
    Sofern meine Gäste einen abgeräumten Tisch haben wollten, hätten sie es selbst tun müssen. Schließlich wussten sie ja, wo die Küche war.
    Warteten sie etwa auf eine schriftliche Einladung, um abzuräumen?
    Hinten auf dem Tisch stand stets eine vollständig unberührte Schale mit Obst. Was ist damit nicht in Ordnung? Obst ist gesund.
    Immer kaufte ich Obst, und keiner aß je davon. Judy pflegte es Protestanten-Nachtisch zu nennen. Meine Freunde sagten, dass es schlimm genug sei, sie damit zu kränken, dass ich ihnen etwas wie eine Banane oder Orange als Nachtisch anbot. Sie stellten sich unter einem ordentlichen Nachtisch oder überhaupt unter einem Nachtisch etwas vor, das von gesättigten Fettsäuren, Zuckerraffinade, Crème fraîche, Alkohol, Eigelb und Cholesterin nur so strotzte.
    Die Art von Nachtisch, bei dessen bloßem Anblick sich die Arterien schon um ein paar Zentimeter zusammenziehen.
    Sicher hing diese Haltung damit zusammen, dass meine Gäste eine entbehrungsreiche Kindheit durchgemacht hatten.
    Vermutlich hatten sie etwa zwanzig Jahre lang nach jedem Abendessen Götterspeise mit Vanillesoße essen müssen.
    Gott weiß, dass ich Verständnis für sie hatte, denn auch ich war durch diese Götterspeise-Hölle gegangen.
    Aber hätte ich erwartet, dass

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