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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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mal übermalen. Ein Rest Deckenfarbe war noch von der vorigen Einladung übrig.
    Außerdem fand sich am Morgen danach gewöhnlich auf der Wohnzimmercouch das unvermeidbare Paar verkaterter und unrasierter Gäste in zerdrückten Kleidern. Sie zum Aufbruch zu bewegen war ehrlich gesagt viel aufwändiger, als die besagten Brandflecken an der Decke oder die Zigarettenlöcher im Teppich zu beseitigen.
    Sie lagen den halben Tag herum, stöhnten, wollten Tee und Kopfschmerztabletten und sagten, sie müssten sich bei der kleinsten Bewegung übergeben.
    Trotzdem machte ich es wieder. Ich meine, alles vor mir herschieben.
    Ich tat alles, nur um nicht tun zu müssen, was ich hätte tun sollen.
    Der Versuch, mich zu zwingen, an die praktischen Konsequenzen zu denken, die sich aus der Trennung von James ergaben, war so ähnlich, wie an einem richtig hellen Tag mitten in die Sonne zu sehen. Beides war sehr schwer, und beides trieb mir Tränen in die Augen.
    Vermutlich müsste ich über die Frage des Sorgerechts für Kate nachdenken. Aber gab es da überhaupt Hindernisse? James hatte nicht das geringste Interesse an ihr gezeigt, und außerdem war er der Ehebrecher. Da die Schuld bei ihm lag, schätzte ich, dass man das Sorgerecht automatisch mir zusprechen würde.
    Doch statt darüber zu triumphieren, empfand ich nicht einmal Erleichterung. Das war kein Sieg.
    James sollte sich um mein Kind kümmern. Ich wollte, dass es einen Vater hatte. Es wäre mir viel lieber gewesen, wenn er mich vor Gericht gezerrt und mir dort üble Schlammschlachten geliefert hätte, mich als Lesbierin oder als Frau mit unterentwickelten moralischen Grundsätzen oder was auch immer verleumdet hätte (Letzteres wäre allerdings keine Verleumdung, fürchte ich). Wenigstens hätte er damit, dass er sich um das Sorgerecht für Kate bemühte oder mich herabsetzte, gezeigt, dass ihm an ihr lag.
    Ich drückte Kate fest an mich. Ich hatte ein so schlechtes Gewissen. Irgendetwas hatte ich falsch gemacht, ohne es zu merken, und deshalb musste die arme Kleine, die unverschuldet Zuschauerin des Dramas geworden war, ohne ihren Vater auskommen.
    Ich verstand James einfach nicht. War er denn nicht wenigstens neugierig auf Kate? Es war mir unbegreiflich. Hatte es damit zu tun, dass sie ein Mädchen war? Hätte er versucht, die Sache mit mir gemeinsam ins Lot zu bringen, wenn das Kind ein Junge gewesen wäre? Wer konnte das wissen?
    Ich versuchte, eine Situation zu verstehen, an der es nichts zu verstehen gab.
    Und was war mit unserer Wohnung? Wir hatten sie gemeinsam gekauft, und sie lief auf unser beider Namen. Was sollten wir tun? Sie verkaufen und uns den Erlös teilen? Sollte ich seinen Anteil übernehmen und mit Kate darin wohnen?
    Sollte ich James meinen Anteil verkaufen und ihn mit Denise dort wohnen lassen? Nein, das auf keinen Fall!
    Was auch immer, ich würde nicht zulassen, dass er eine andere Frau in die Wohnung schleppte, die ich eigenhändig eingerichtet und renoviert hatte. Eher hätte ich das Ganze bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
    Na ja, vielleicht nicht bis auf die Grundmauern. Ich hatte mit den Leuten, die in den beiden Stockwerken unter uns wohnten, keine Rechnung offen. Warum sollten also sie ihre Wohnung verlieren, nur weil mein Mann mit seiner Tussi, seiner neuen Eroberung, in unsere Wohnung zog?
    Aber die Wohnung würde ich auf jeden Fall niederbrennen. Gillian und Ken, die unmittelbar unter uns wohnten, würden sich damit abfinden müssen, dass an ihrer Decke eine oder zwei Flammen züngelten.
    Nur über meine Leiche. Immer, wenn ich früher diesen Ausdruck gehört hatte, war ich der Ansicht gewesen, wer so etwas voll Leidenschaft sagte, reagiere übertrieben, müsse ein heißblütiger Mensch aus einem der Mittelmeerländer sein oder gebe vor laufender Kamera dem Affen Zucker.
    Ich selbst hatte es schon Tausende von Malen gesagt, aber bis zu diesem Augenblick noch nie so gemeint. Jetzt aber war es mein heiliger Ernst. Nur über meine Leiche würde er Denise in meine Wohnung bringen.
    Und was war mit dem Geld? Wie sollte ich Kate und mich von meinem Gehalt durchbringen? Ich wusste kaum, wie viel ich verdiente. Ich wusste lediglich, dass es verdammt wenig war, verglichen mit dem, was James nach Hause brachte.
    Er hatte uns seit unserer Hochzeit mit seinem Gehalt über Wasser gehalten. Von jetzt an würde ich also arm sein.
    Ich kam mir vor wie jemand, der auf einen Balkon hinaustritt und zu seinem Entsetzen plötzlich merkt, dass er keinen

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