Wassermelone: Roman (German Edition)
durchschnittlich gut aus. Nicht wie Adam hier. Welches Interesse also könnte ein solcher Adonis an mir haben? Außerdem liebe ich meinen Mann nach wie vor. Trotz seiner Treulosigkeit.
Ich stellte Laura und Adam einander vor. Sie errötete. Also wirkte er auf alle Frauen so, nicht nur auf die in meiner Familie.
Irgendwie fand Adam eine Sitzgelegenheit. Er war die Art Mann.
»Du bist ein schrecklicher Flunkerer«, sagte ich mit einem Lächeln.
»Wieso?«, fragte er. Dabei riss er seine blauen Augen weit auf und sah ganz unschuldig und jungenhaft aus.
»Hast du nicht dem armen Mädchen gesagt, ich sei eine alte Freundin?«, fragte ich zurück.
»Bist du doch auch«, sagte er. »Ich meine, ›älter als ich‹, nicht richtig alt«, fügte er hastig hinzu, als er sah, wie sich meine Augen verengten. »Und das weiß ich auch nur, weil ich Helen nach deinem Alter gefragt habe. Ich hätte dich viel jünger geschätzt.«
Ich sah ihn an.
Das muss der Neid ihm lassen, dachte ich. Er hat sich gut aus der Affäre gezogen.
»Und obwohl wir uns erst einmal gesehen haben«, fügte er hinzu, »kommst du mir vor wie eine Freundin.«
Ja, dachte ich, er hat sich meisterhaft aus der Affäre gezogen.
Später sagte mir Laura, sie habe in dem Augenblick ihren Slip ausgezogen und ihren Rock gerafft. Aber davon hat keiner von uns beiden was gemerkt; ich glaube ihr keine Sekunde. Allerdings verstehe ich, worauf sie hinauswollte.
Nach der Begegnung mit Adam nahm der Abend eine ganz andere Wendung. Ich fühlte mich um einiges glücklicher. Ich schäme mich, das zuzugeben, aber ich fühlte mich sehr viel wohler, weil jetzt ein Mann dabei war. Als ob mich das in gewisser Weise aufwertete.
Ehrlich gesagt, wusste ich, wie trübsinnig und kläglich ich war, und ich hatte wirklich vor, meine Haltung zu ändern. Aber es war großartig, in Adams Nähe zu sein. Abgesehen von allem anderen konnte man sich mit ihm gut unterhalten.
Laura fragte ihn, woher er mich kenne, und er sagte: »Helen ist eine Studienfreundin von mir.«
Laura warf mir einen vielsagenden Blick zu. Etwa in der Art Großer Gott. Nein. Ein Student. Wir werden so tun müssen, als interessiere uns sein langweiliges Studium. Aber Adam nahm ihr den Wind aus den Segeln. Das scheint eine Spezialität von ihm zu sein.
Lächelnd sagte er: »Du brauchst mich nicht zu fragen, was ich studiere.«
»Oh«, sagte Laura ein wenig betreten. »In dem Fall tu ich das auch nicht.«
Nach einer kurzen Pause sagte Laura: »Eigentlich bin ich jetzt neugierig.«
»Das war nicht meine Absicht«, sagte Adam lachend. »Aber wenn du so fragst, ich studiere im ersten Jahr Englisch, Psychologie und Anthropologie.«
»Ein Erstsemester?«, fragte Laura mit gehobenen Brauen. Offensichtlich verglich sie das, was er sagte, mit seinem nicht besonders jungenhaften Auftreten.
»Ja«, sagte Adam. »Aber selbst bin ich schon ein sogenanntes reiferes Semester. Allerdings fühl ich mich kein bisschen reif, höchstens verglichen mit meinen Kommilitonen.«
»Sind die schlimm?«, fragte ich und hoffte, er werde ja sagen.
»Eigentlich nicht«, sagte er. »Sie sind einfach jung. Was will man von Siebzehn- oder Achtzehnjährigen erwarten, die gerade die Schule hinter sich haben? Sie studieren nicht unbedingt, weil sie was lernen wollen oder ihr Studienfach sie begeistert, sondern weil sie sich noch ein paar Jahre lang vor der Verantwortung drücken wollen.«
Laura und ich brachten es fertig, ziemlich beschämt dreinzublicken, als er das sagte. Sie, Judy und ich waren während unseres Studiums Musterexemplare der faulen, herumlungernden, arbeitsscheuen, verzogenen Studenten gewesen, die er beschrieb.
»Wie schrecklich das für dich sein muss«, murmelte ich. Laura und ich grinsten einander an.
»Und wieso studierst du jetzt?«, fragte ich.
»Als ich jünger war, hatte ich keine Lust dazu. Nach der Schule wusste ich nicht so recht, was ich wollte, und hab alles mögliche Falsche gemacht«, sagte er geheimnisvoll. »Vor kurzem hab ich mein Leben in den Griff gekriegt. Es war ein ziemliches Chaos«, fuhr er noch geheimnisvoller fort, »und jetzt bin ich so weit, dass ich studieren kann. Es macht mir großen Spaß.«
»Tatsächlich?«, fragte ich und war von seiner Reife und Entschlossenheit beeindruckt.
»Ja«, sagte er.
Dann fuhr er zögernd fort: »Ich glaube, ich hatte Glück, dass ich bis jetzt gewartet habe. Jetzt weiß ich die Sache richtig zu schätzen. Ich denke, man müsste die jungen Leute erst mal
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