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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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schön, mit ihm zusammen zu sein.
    »Hallo, mein Engel«, sagte er zu Kate und beugte sich über das Tragetuch.
    Allerdings vermutete ich, dass ihm das nur als Vorwand diente, unauffällig meinen Busen zu mustern. Kate sagte nichts.
    Dann gingen wir hinein und bahnten uns einen Weg durch aufgeregt durcheinanderquirlende Menschenmassen.
    Es war Samstagnachmittag, und die Leute waren wie verrückt. Als litten sie an einer Art kollektivem Wahnsinn. Kaufsucht oder dergleichen.
    Bestimmt gibt es dafür einen modischen medizinischen Begriff. Ich nehme an, dass es was Ähnliches wie der Mistral ist, der – war es in Italien? – von Zeit zu Zeit über die Dörfer hinwegfegt. Alle Männer verprügeln ihre Frauen, die Hunde jaulen, die Hühner wollen nicht legen, und die Frauen brüllen und heulen (kein Wunder, schließlich werden sie von ihren Kerlen verprügelt) und weigern sich, die Hausarbeit zu machen. Etwa so, als litte das ganze Dorf am prämenstruellen Syndrom und als wäre die Heilöl- und Vitamin-B 6 -Ernte in jenem Jahr verspätet.
    Verglichen mit dem, was an jenem Samstagnachmittag in Dublin abging, dürfte aber der Mistral ein Kinderspiel sein. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass sich Einkaufen enorm auf den Adrenalinspiegel auswirkt. Der in die Höhe schnellende Blutdruck sorgt für eine Hyperventilierung samt Glubschaugen und allerlei anderem.
    Mich wundert das überhaupt nicht – die ganze Aufregung. Die wiederum scheint den Blutzuckerspiegel zu beeinflussen. Deswegen brauchen alle nach oder sogar schon während ihrer Einkaufsorgie stark gesüßten Tee oder Kaffee und einen Schokoriegel (oder was in der Art). So ungefähr wie die Zigarette nach dem Beischlaf.
    Als Ergebnis dieses Kaufrausches war die Stadt voller hyperventilierender, glubschäugiger und (wegen des hohen Blutdrucks) rotgesichtiger wahnsinniger Frauen, jede mit Hunderten von Einkaufstüten und Brieftaschen voller Kreditkarten, die nach ihrem unermüdlichen Einsatz förmlich summten und zischten.
    Wem also der Sinn nach einer Tasse Kaffee steht, wie Adam, Kate und mir, sollte auf keinen Fall die Luft anhalten, während er auf eine freie Sitzgelegenheit wartet. Während mitleiderregende hohläugige Gestalten mit Tabletts voller Kaffeetassen und Gebäck an uns vorüberzogen, standen wir in der Mitte des überfüllten Cafés. Offensichtlich waren Leute schon seit mehreren Wochen da und hatten immer noch keinen Sitzplatz gefunden. Adam aber brachte es fertig, den einzigen Tisch zu finden, von dem in den letzten drei Wochen jemand aufgestanden war. Einer der vielen Vorzüge, von einem hochgewachsenen Mann begleitet zu werden.
    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Kate und ich bequem saßen, ging er Kaffee holen. Was für ein Held! In Rekordzeit kam er mit einem Tablett zurück, das von Gebäck überquoll.
    »Ich wusste nicht, was du magst«, erklärte er, »und deswegen hab ich von jedem eins genommen.«
    »Ach, Adam«, sagte ich, »das hättest du nicht tun sollen. Studenten haben doch kein Geld.«
    Ich hätte vor Rührung heulen können. Wahrscheinlich hatte er das Stipendium für das ganze Sommersemester in Gebäck für mich investiert.
    »So viel schaff ich im Leben nicht«, log ich.
    »Lass dir darüber keine grauen Haare wachsen«, sagte er mit einem Lächeln, das ihn großartig aussehen ließ. »Was du nicht schaffst, putz ich schon weg.«
    Dann setzte er sich und wandte sich mir zu.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte er. Er brachte es fertig, das so klingen zu lassen, als interessiere es ihn tatsächlich.
    »Prima«, sagte ich mit schüchternem Lächeln. Ich kam mir albern wie ein kleines Mädchen vor.
    Was war bloß los?
    Immer, wenn man merkt, dass man jemanden mag, verwandelt man sich in einen Volltrottel. Zumindest ich.
    »Soll ich Kate eine Weile halten?«, fragte er.
    »Wenn du möchtest«, sagte ich, nahm sie aus dem Tragetuch und legte sie ihm zärtlich in die Arme. Hatte das Weib ein Glück.
    Wie schade, dass sie noch nicht reden kann, dachte ich bedauernd. Sonst würde ich mir anschließend ausführlich berichten lassen, wie es ist, von Adams starken Armen gehalten zu werden.

    Adam und ich saßen da und plauderten müßig miteinander, während uns die menschlichen Gezeiten mit ihrem schwankenden Blutzuckerspiegel in beständigem Auf und Ab umströmten. Wir waren eine Insel der Ruhe im Chaos von Dublin. So als befänden wir drei uns in einer eigenen kleinen Welt.
    Wir sprachen nicht besonders viel miteinander. Inmitten meiner

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