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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ein Dieb und Lügner. Ein Schurke, der ihn mit Tricks dazu verleitet habe, den guten Namen der ‹Wühlmaus› zu beschmutzen, um sich dann aus dem Staub zu machen, weil er nicht «die Zeche zahlen» wollte. In der Nacht des 11.   August, so sagte Smirke aus, sei er nach Southwark gegangen, zusammen «mit dem hervorragenden Faustkämpfer, Seine verblichne Lordschaft und dem schwarzen Nigger-Sklaven, damit wir das Diebesgut sichern konnten, das wo der Gefangne hier von ’ner hochgestellten Lady geklaut gehabt hatte, und damit ich zuseh, wie er seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Dann hab ich als Augenzeuge gesehn, wie er zurückschrecken tut wie so ’ne Ratte, die nich mehr auskann, und dann Seine verblichne Lordschaft heimtückisch aus ’n Fenster schmeißt, so daß der ’nen vorzeitigen Tod findet.»
    Auf Neds Protest hin stopfte ihm der Büttel einen Lappen in den Mund.
    Als nächstes wurde Jutta Jim zur Bekräftigung der Anklage in den Saal gerufen. Da seine Kenntnisse des Englischen irgendwo zwischen nicht vorhanden und prä-rudimentär lagen, verdeutlichte er seine Erinnerungen mit Hilfe von Zeichensprache und mimischen Gesten. Beim Beschreiben seiner Vorstellung in der ‹Wühlmaus› etwa bildete er mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand einen Kreis, durch den er dann mehrmals den gereckten Zeigefinger der rechten stieß.
«Mojo-mojo»
, sagte er dazu grinsend. «Figgi.» Als er zur Beschreibung jener unseligen Nacht kam, kroch er mit gefletschten Zähnen durch den Gerichtssaal, um die verstohlene Grausamkeit des Häftlings anzudeuten, dann warf er sich der Länge nach rücklings auf den Boden, seinen toten Herrn imitierend. Er beendete seinen Auftritt unter Tränen.
    Der Ankläger schloß seinen Beweisvortrag ab, und Neville Thorogood erhob sich, um seinen ersten und einzigen Zeugen herbeizurufen: Billy Boyles.
    Aus dem Korridor kam Boyles in den Saal getorkelt, sein Hinterkopf platt wie ein Buch. Die Kleider hingen ihm in Fetzen, sein Gesicht und der zottige Bart waren dreckverschmiert; er stank nach Gin der billigsten Sorte. Lange blieb er, unschlüssig und verwirrt, in der Mitte des Saals stehen. Alle Blicke lagen auf ihm. Er schüttelte zweimal den Kopf, wie um einen Nebel loszuwerden, machte einen Schritt vorwärts und stolperte über den Gerichtsschreiber. «Büttel!» brüllte der Richter. «Helfen Sie dem Mann in den Zeugenstand!»
    Thorogood versuchte einen Einwand. «Aber Euer Ehren – der Zeuge ist ja alkoholisiert.»
    «Blödsinn.»
    Inzwischen hatte sich Boyles wieder aufgerappelt; er krallte sich an die Seitenwände des Zeugenstands, um sichhinaufzuziehen. «Sind Sie alkoholisiert, Sir?» fragte der Oberrichter.
    Boyles hatte den Stuhl gefunden und blickte nun auf. «Was hamse gesacht?»
    «Sind Sie alkoholisiert, Sir?»
    Keine Antwort.
    Der Lord Mayor flüsterte dem Oberrichter etwas ins Ohr. Der Richter formulierte seine Frage um. «Betrunken, Sir. Sind Sie betrunken?»
    Das schien eher anzukommen, und Boyles erblaßte. «Wer, ich? Aber kein Stück nich. Kann sein, daß ich in mei’m Leben schon den einen oder andren Tropfen drin gehabt hab, aber bei so’m würdevollen Anlaß wie den hier würd ich   …» . (hier hielt er inne, um einen Rülpser niederzukämpfen und sich aufs Brustbein zu klopfen) «…   würd ich mir das nich mal träumen lassen.»
    Der Oberrichter lehnte sich in seinem Sessel zurück. «Ihr Zeuge, Herr Anwalt.»
    Thorogood atmete ärgerlich einmal tief durch, richtete sich dann an den Zeugen und fragte, ob er Ned Rise als einen ehrlichen Menschen kenne.
    «Ehrlich?» fragte Boyles zurück. «Na, der is so ehrlich, wie ’n Gauner nur sein kann, der wo ’n bißchen Köpfchen haben tut.»
    Jemand lachte auf der Galerie. Boyles zwinkerte Ned zu.
    Der Rechtsanwalt befragte Boyles dann über Einzelheiten der Ereignisse in der Nacht des 11.   August in Southwark.
    Boyles schien durcheinander. «Am 11.   August? Also, ich weiß ja kaum, was vor ’ner Woche gewesen is – un jetz soll ich mir auf einmal fünf, sechs Monate zurückerinnern, häh?»
    «Die Nacht von Lord Twits Hinscheiden», piepste Thorogood.
    «Ach sooo», sagte Boyles, als werfe das ein völlig neues Licht auf die Sache. «In der Nacht war das also? 11.   August? Sindse sicher?» Er bohrte sich eine Weile nachdenklich in der Nase und hob dann mit seiner Geschichte an. «Gut, ich sag Ihnen, wie das gewesen is. Ich war bei die ganze Sache gegenwärtig und ich tu schwörn, der Neddy Rise, der

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