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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eine Tasse aus und trank den Inhalt leer, um sich dergestalt den größtmöglichen Ertrag meiner Worte zu sichern. Hernach bot er mir eine Pfeife mit
mutokuane
und einen gar kurzen Blick unter seiner Gattin Schleier an.
    Am Nachmittag des dritten Tages bedankte sich Mungo bei seinem Gastgeber, kritzelte ihm noch einen letzten Segensspruch hin und humpelte zum Fluß hinunter, wo er mehrere Fährleute fand, die wie Wasserläufer im Bug ihrer Kanus hockten. Er vereinbarte einen Handel mit einem schlehenäugigen Bobo, dessen Haut die Farben einer Burgundertraube hatte: sechs Zeilen hochinspirierter Kalligraphie gegen die Überfahrt nach Sibidulu am anderen Ufer. Der Entdeckungsreisende fand, etwas von Vergil sei angemessen – gewidmet dem Charon des Niger   –, konnte sich jedoch an kein Wort Latein erinnern und vermachte ihm statt dessen eine gekürzte Fassung von
Die Eule und das Kätzchen.
    In dem Kanu waren vier Ziegen, ein Papagei und ein Käfig voller Affen, dazu sechs weitere Passagiere und ein Dutzend irdener Krüge mit Ackerfrüchten. Als Mungo nachfragte, wofür die Affen dienten, grinste der Fährmann und stellte seine blitzenden Zahnreihen zur Schau. «Zum Backen», erklärte er. «Für Affenbrot.»
     
    Sibidulu lag am Fluß direkt gegenüber von Frukabu. Wie der Fährmann sagte, sei es ein Handelsort mit etwa tausend Einwohnern. Von dort aus seien es ungefahr fünfundsiebzig Meilen bis Kamalia, einem Sklavenmarkt am Rande der Jallonka-Wildnis. Wenn es der Entdeckungsreisendebis nach Kamalia schaffe, könne er sich dort einem größeren Sklavenzug zur Küste anschließen. Das war ein Hoffnungsschimmer. Zwar hätte er eine vierspännige Kutsche direkt nach Pisania vorgezogen, doch immerhin wußte er nun, daß die Rückkehr überhaupt möglich war. In bester Stimmung landete der Entdeckungsreisende in Sibidulu. Sein Plan war es, dort zu übernachten und am nächsten Morgen nach Kamalia aufzubrechen. Wenn das Fieber nicht von neuem einsetzte und die Straße nicht allzu unwegsam war, sollte er es in drei bis vier Tagen erreichen.
    Doch zuerst das Nächstliegende: etwas zum Schlafen suchen. Es wurde schon langsam dunkel, Wolkenfetzen jagten wie tiefhängender Qualm über die Strohdächer und die weißgetünchten Mauern der Stadt. In der Ferne grollte Donner, und die Luft hatte sich abrupt abgekühlt. In Frukabu regnete es sicher schon. Der Entdeckungsreisende hastete eine enge Gasse mit ordentlich wirkenden Lehmrutenhütten entlang, steckte da und dort den Kopf durch eine Tür und bat um Herberge. Nach mehreren Zurückweisungen blieb er bei einer Hütte stehen, vor der eine Frau mit riesigem Halstuch und Ohrreifen einen Säugling stillte und ein Kuskus mit
akina
zubereitete. Er grüßte, zog einen Zettel aus dem Hut, schrieb rasch ein paar Zeilen aus
Abercrombies Kunst des theologischen Disputs
nieder und hielt ihr das Papier entgegen. Sie blickte mißtrauisch auf. «Seid Ihr ’n
marabut

    Er wußte nicht, was er sagen sollte. Ein
marabut
war ein heiliger Gelehrter des Islam, der von Ort zu Ort zog und seine Kenntnisse unter die Leute brachte. Es schien von Vorteil zu sein, sich dazu zu bekennen, aber weshalb dieser merkwürdige Blick? Er entschied sich für die Unaufrichtigkeit. «Das bin ich», sagte er.
    Sie legte den Säugling weg und rief jemanden im Innern der Hütte. «Flanchari, komm mal her.»
    Ein großer Mandingo in ausgeleierten Shorts trat ausder Hütte, flankiert von zwei Mauren. Mungo sank das Herz in die Hose. Die Mauren waren in schmutzigweiße
jubbahs
und
tagilmusts
gekleidet. Der eine kam ihm irgendwie bekannt vor.
    «Dieser Mann hier behauptet, er wäre ein
marabut
», sagte die Frau. «Seht mal, was er da aufgeschrieben hat.»
    Flanchari und die Mauren musterten das Abercrombie-Zitat. Dann sah einer der Mauren dem Entdeckungsreisenden fest in die Augen und sagte etwas auf arabisch. Mungo hatte keine Antwort darauf. Der Maure wiederholte es. Es klang, als sagte er: «Deine Mutter frißt Schweinefleisch.»
    «Der ist kein
marabut
», sagte Flanchari auf mandingo.
    Der zweite Maure trat vor. Seine Haut war gegerbt wie Leder, die Nase sichelförmig gebogen; das Schlimmste jedoch – den Entdeckungsreisenden durchfuhr ein eisiger Schauer des Wiedererkennens – war seine leere linke Augenhöhle. «Kein Muslim», zischte der Maure in gebrochenem mandingo.
«Nazarini!»
    «Lügner!» schimpfte die Frau.
    Flanchari packte den Entdeckungsreisenden fest am Arm.
    «Er ist ein Dieb», sagte der

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