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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ehrfürchtiges Flüstern.
    Zander fixiert ihn verzückt mit geweiteten Augen, seine Lippen haben sich in stillem Einklang bei jedem Wortmitbewegt. Auf einmal grinst er und schüttelt dem Entdeckungsreisenden heftig die Hand. «Aber darauf haben wir doch die ganze Zeit gewartet – und endlich ist es soweit!»
    «Pssst.» Mungo sieht aus wie ein Wiesel mit einem Ei im Maul. «Ich hab’s deiner Schwester noch nicht erzählt.»
    «Es wird ihr nicht gefallen.»
    «Nein.»
    Zander hockt sich neben ihn, balanciert auf Zehen und Fingerspitzen. Er ist neunundzwanzig und wirkt wie achtzehn. «Aber sie wird doch begreifen, daß es für einen höheren Zweck ist – das muß sie einfach. Sie wird es verstehen. Das weiß ich.»
    Mungo schnaubt. «Deinen Optimismus möchte ich haben.»
    «Dann erzähl’s ihr. Los, mach schon – vielleicht erlebst du ja eine Überraschung.»
    Unentschlossen sieht der Entdeckungsreisende über die Schulter. Ailie und Thomas sitzen in eine Decke gewickelt und grillen Fleisch über dem Feuer. Seine Mutter schält Äpfel und schaukelt das Baby, der Zweijährige kreischt wie ein wildes Huhn und rennt splitternackt die Böschung hinauf und hinunter, als wäre er wochenlang im Schrank eingesperrt gewesen. «Weißt du, vielleicht hast du recht, Zander», sagt Mungo endlich und steht auf. «Ich kann es ebensogut jetzt hinter mich bringen.» Und dann, schon etwas unsicherer: «Obwohl ich uns ungern den schönen Tag verderbe.»
    Doch ehe er noch zwei Schritte getan hat, wird die ganze Frage   – Brief, Afrika, Ehrgeiz und Ailie – schlagartig auf ein Nebengleis geschoben, denn in diesem Augenblick beginnt die Spitze der Angelrute zu zucken. Ganz zaghaft erst, doch deutlich genug, daß es Zander auffällt. «Mungo!» schreit er, und der Entdeckungsreisende, dessen Reaktionen in der Wildnis Afrikas geschärft worden sind, wirbelt herum und schätzt die Situation blitzschnell ab,nimmt die Stücke des Puzzles wahr (Zanders Gesicht, sein deutender Zeigefinger, die Angelrute, die von der Wucht des vollen Zuges in ihrer ganzen Länge bebt und jetzt auf das Wasser zusaust wie ein führerloser Bobschlitten) und kennt fast im selben Augenblick schon die Lösung. Er reagiert ohne Zögern. Eben hat er seinen Schwager noch fragend angesehen, im nächsten Moment wirft er sich der rasch davongleitenden Angel hinterher, bekommt sie gerade noch am letzten der knotigen Griffwülste zu fassen. Kraftvoll stemmt er die Knie in den Boden, kämpft sich auf die Beine, die Angelrute in seinen Händen biegt sich fast durch, und am anderen Ende der Leine kommuniziert eine unglaubliche, um sich schlagende silbrige Kraft in der Tiefe mit ihm, sie schlägt und zerrt mit dem Puls des Flusses selbst. «Er hat einen!» schreit Zander. «Er hat einen Riesenlachs an der Angel!» Und jetzt laufen Ailie und die Jungen herbei, die Aufregung steht ihnen im Gesicht wie die ersten roten Backen im Winter.
    Mungo spannt sich mit aller Kraft gegen den Fisch, sein ganzes Ich ist auf dieses Wesen an seinen verlängerten Fingerspitzen konzentriert, das über die Steine im Flußbett flitzt und sich in die tiefsten Tiefen des Grundes flüchtet. Jeden Kiesel erlebt er mit, er kann die ganze Geschichte des Flusses nachfühlen, die feuerspeienden Säulen, die aus der Erde barsten, die flache, scheuernde Hand der Gletscher, das unablässige Anprallen der Wassermassen, ein Strom ohne Ende, der sich ins Meer ergießt und zu den Wolken emporsteigt. Unbarmherzig und entschlossen zieht er mit jedem Nerv und jeder Faser seines Körpers an dem Mysterium, mit jedem Milliliter seines Blutes und jedem Gramm seines Fleisches zieht er.
    Und
es
zieht
ihn
, es zieht ihn.

SIDI AMBAK BUBI
    Kurz vor Weihnachten kehrt Mungo aus London zurück, das Ende eines karierten Schals lugt unter seiner Angströhre hervor, und mit sich bringt er einen kleinen, dunkelhäutigen Fremden. Dem Entdeckungsreisenden schenkt keiner mehr viel Beachtung (das ist eben die Macht der Gewohnheit), aber der Fremde steht auf einem ganz anderen Blatt. Niemandem in Peebleshire ist er recht geheuer. Auf den ersten Blick wirkt er ganz normal – Kniestiefel, wollene Hose, Überzieher, Krawatte   –, doch bei näherer Betrachtung sehen sich die braven Leute von Peebles mit einer Reihe von Anomalien konfrontiert. Zunächst ist da die Gesichtsfarbe des Fremden, ein Teint, der irgendwo auf halbem Wege zwischen dem Graubraun von Stallmist und dem käsigen Gelb von Ziegenmilch liegt. Dazu kommt sein Hut,

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