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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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an.» Der Alte schlurft zum Trog, leert dort den Eimer und deutet mit seinem wettergegerbten Finger hinein. Mungo läßt sich nicht zweimal bitten. Er stürzt vorwärts, stößt den Kopf wie einen Keil zwischen die großen, gehörnten Schädel zweier Färsen.
    Der Trog sieht aus wie ein Rinnstein bei Regenwetter, das Wasser wie aus dem Gully, Zweige und Stroh und Dreckbrocken treiben auf der Oberfläche. Der Entdeckungsreisende taucht das ganze Gesicht ein und trinkt, aber die Konkurrenz ist erbittert, schon wird der Strom zur Pfütze, die Rinder geifern, und ihre großen rosa Zungen schlabbern die letzten Tropfen weg. Er dreht sich zu dem Alten um. «Mehr!» ruft er. «Mehr!» Eine gescheckte Kuh mit Augen so groß wie Taschenuhren walzt ihn um. Und dann knallt plötzlich ein Schuß, laut wie ein Donnerschlag. Dann noch einer. Die Kühe weichen zurück, sind ganz durcheinander, rammen Schultern, Schnauzen und Flanken gegeneinander, geraten in Panik, rennen blind davon.
Ka-bomm, ka-bomm, ka-bomm
, trampeln sie hinaus in die Nacht.
    Als der Staub sich legt, stehen drei Reiter vor Mungo. Dassoud ist dabei, seine gestrichelte Narbe glitzert im Licht der Fackeln. In der Hand hat er eine Pistole. Er zügelt sein Pferd, hebt die Waffe, zielt auf den Kopf des Entdeckungsreisendenund drückt ab. Nichts passiert. Mungo sitzt im Staub und in der Kuhscheiße, sein Herzschlag setzt aus, die Nerven versagen, und er überlegt fieberhaft, wie sich dieser Wahnsinnige mit der Pistole versöhnen ließe.
«La illah el allah, Mahomet rassul Allahi»
, probiert er aufs Geratewohl. Dassoud schüttet eine frische Pulverladung auf die Pfanne und knurrt dabei die ganze Zeit wie ein Hund am Hosenbein eines Eindringlings. Die Pferde stampfen und wiehern, der alte Mann und sein Sohn ducken sich. Dann hebt Dassoud die Pistole erneut, schreit etwas auf arabisch und drückt wieder ab. Ein Lichtblitz, ein Zischen wie heiße Kohlen, die in eine Badewanne fallen. Die Waffe hat versagt. «Was hab ich denn getan?» fleht der Entdeckungsreisende und rutscht vorsichtig zur Seite. Dassoud flucht, schleudert die Pistole weg und verlangt nach einer anderen. «Hoa!» ruft der Mann hinter ihm und wirft ihm eine neue Waffe zu. Dassoud fängt sie im Flug auf, spannt den Hahn und zielt auf eine Sommersprossenkonstellation knapp links neben der Nase des Entdeckungsreisenden.
    «Mr.   Park!» Johnson kommt mit wehendem Gewand in den erleuchteten Kreis gestürzt wie eine Figur aus der Commedia dell’arte. Er atmet keuchend, und der Schweiß rinnt ihm übers Gesicht. «Mr.   Park, sind Sie verrückt geworden? Stehen Sie auf und machen Sie sich im Eiltempo auf den Rückweg zum Zelt, bevor die hier Sie auf der Stelle abknallen. Sie haben das ganze Lager in Aufruhr gebracht. Die glauben, Sie wollen türmen.»
    Mungo blickt auf. Feuer lodern oben auf der Anhöhe. Reiter durchstreifen mit Fackeln die Nacht. Man hört Rufe und Flüche, gelegentlich auch Schüsse. Mungo erhebt sich. Dassoud läßt die Pistole sinken.

BADENIXE
    Draußen, hinter Spitzengardinen und bleigefaßten Scheiben, legt sich träger, schwerflockiger Schnee über die Bäume und Gärten von Selkirk. Er rundet Kanten ab, verwischt Unterschiede, überflutet die Meilensteine an der Straße nach Edinburgh. Es gibt keine Fußwege, keine Blumenbeete, keinen Rasen mehr; die Azaleen beugen sich nieder, und die immergrünen Hecken ducken sich am Wiesenrand. Seit zwei Tagen schneit es jetzt. Schneewehen verdunkeln die unteren Fensterscheiben und drücken gegen die Tür, die Kutschen verlieren ihr Skelett in der Weichzeichnung, die Reitpferde vermissen die tägliche Bewegung. Der Brunnen steht voll Eis. Oben auf dem Dach dreht sich die Wetterfahne knirschend um ihre Achse.
    Hier in der Küche ist eine andere Welt. Dick und schwül die dampfende Atmosphäre, wie eine Insel im Pazifik. Die Fenster schwitzen und tropfen, der Handspiegel beschlägt, Handtücher werden schwer vor Feuchtigkeit. Im Ofen: ein Festtagsfeuer. Berge von glühenden Kohlen, gekreuzte Eichenholzscheite und das leise, schlürfende Ächzen der Flammen. Zwei große geschwärzte Kessel hängen über dem Feuer, baumeln an Haken, die vor einem Jahrhundert in den Stein getrieben wurden. Dunst quillt über ihre Ränder, dicht wie der Nebel über dem Moor. Die Blätter eines dunklen, fleischigen Farns auf dem Tisch glänzen vor Nässe, und hinter dem feuchten Glas des Aquariums flitzen Plötzen und Weißfische auf Brotkrumen zu. In der Ecke,

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