Wassermusik
mal kurz hin, um sich den Schweiß wegzuwischen, peitschen sie einem den Rücken blutig.
Aber mögen die Dinge auch am schlimmsten stehen, es kommt immer noch ein Stück schlimmer.
Irgendwann im Winter 1804 wird eine der höheren Chargen in der Admiralität beim Sinnieren über dem Frühstücksei plötzlich von einer Idee durchzuckt. Eine Idee, die eine direkte Verschärfung der Leiden von Ned Rise, Billy Boyles und Hunderten wie sie bewirken wird. Es herrscht Krieg und daher Knappheit an tauglichen Rekruten, um die Schlachtschiffe zu bemannen und neue Infanterie ins Feld zu werfen, also kommt der Lord im Marineministerium darauf, daß es doch eigentlich eine schändliche Verschwendung von Kapazitäten sei, weiterhin die vielen entlegenen, aber dennoch wichtigen Garnisonsposten mit regulären Truppen zu besetzen. Warum, so denkt er, während er das schön weichgekochte Eigelb löffelt, könnte man nicht diese Forts mit Zuchthäuslern bemannen? Früher hatte man sie für solche Zwecke ja auch verwendet, also wieso sie nicht auch heute rekrutieren? Ein wenig Nutzen aus diesen faulen Vagabunden ziehen? Sie den Eid schwören und endlich was Richtiges arbeiten lassen? Später können sie ja im Flußbett weiterbaggern, wenn dieser kleine Korse erst mal an einemMast baumelt. Die Idee gefällt dem Lord im Marineministerium immer besser. Er trägt sie seinen Vorgesetzten vor, die sie wiederum ihren Vorgesetzten vortragen.
Und so werden Ned und Billy im Frühherbst jenes Jahres aus dem dunklen, miefenden Laderaum der alten
Cerberus
in den dunklen, miefenden Laderaum der
H.M.S. Feckless
überführt, um schließlich, von ihrem eigenen Erbrochenen triefend, in Goree abgesetzt zu werden – in Fort Goree auf der gleichnamigen Insel vor der Küste Westafrikas. In Fort Goree, dem Tor zum Niger und der Bastion der Fäulnis.
KEINE DEBATTE
«Du hast mich angelogen. Du planst doch ein neues Abenteuer, oder etwa nicht? Na los. Antworte!»
«Nicht so richtig.»
«Nicht so richtig? Wozu schleppst du mir dann diesen – diesen Farbigen ins Haus? Wozu quasselst du den ganzen Tag mit ihm wie irgend so ein Kamelhändler auf dem Bazar, na? … Ich sagte, wozu hast du mir diesen Bubi ins Haus geschleppt? Hast du mich nicht gehört?»
«Ich frische bloß meine Kenntnisse auf.»
«Wofür denn?»
«Hör mal: Sprich es aus, dann bleibe ich bei dir.»
«Bleib.»
GELOCKERTE BINDUNGEN
Sidi Ambak Bubi verließ Peebles nach einem Aufenthalt von 27 Tagen, 18 Stunden und 6 Minuten. Er hatte mitgezählt. Dreißig Pfund Sterling hin oder her, aber jede Minute unter dem Schieferdach in Peebleshire war wie eine ganze Woche in der Gehenna. Es lag an Mrs. Park. Sie war wie eine Löwin mit Jungen, und er, Sidi, warder Sklave, den man losgeschickt hatte, ein Löwenbaby für den Zoo des Paschas zu holen.
Seine Einschätzung war keineswegs verfehlt. Ailie verteidigte ihr Reich erbittert, sie war geharnischt, gereizt und unhöflich, ja beleidigend. Sie sah den Mauren als ein fremdes, entzweiendes Element, als einen Dieb, der aus der düsteren Festung Afrika gekommen war, um ihr den Ehemann zu rauben – und verhielt sich entsprechend. Belauerte jeden seiner Schritte, durchbohrte mit wachen, mißtrauischen Blicken seine Kleider, seine Zimmertür, Fleisch und Knochen seiner Brust, war ständig dabei, zu nörgeln, Anspielungen zu machen, alles an ihm zu kritisieren, von seiner Art, sich den Tschibuk anzuzünden, bis zum Aussehen des um seinen Kopf gewickelten Turbans. Sie tischte ihm Runkelrüben und Kartoffeln auf, dazu Schweinsfüße, Speck und Schinken. Sie kippte ihm Tee in den Schoß, wirbelte ganze Saharas von Staub um ihn auf, wenn er beim Koranstudium saß, stiftete die Hunde an, ihn ins Bein zu beißen und seine Sandalen zu zerkauen. Sie war verzweifelt, verwirrt, von Angst zerfressen, und an dem Mauren aus Mogador ließ sie es aus.
Als Sidi schließlich seine Koffer packte und nach Selkirk hinunterritt, um die Kutsche nach London zu nehmen, legte sich eine beunruhigende Stille über den Haushalt der Parks. Ailie hielt den Atem an und wartete ab. Mungo war zerknirscht. Er hatte doch sein Versprechen gegeben, endgültig und unwiderruflich. Ja, er hatte sie angelogen – er gab es zu. Sein Ehrgeiz sei stärker gewesen, und er habe sie angelogen. Doch nun werde er nicht mehr lügen. Ob sie ihm vergeben könne? Das konnte sie. Sie klammerte sich an ihn, ganz wild, ihre Liebe zu beweisen, ihm die Last zu erleichtern, ihm zu zeigen,
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