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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dreißig Meter entfernt und brüllt Besänftigendes auf mandingo («Vergebt uns, denn wir wissen nicht, was wir tun» – «Nennt euren Preis» – «Sieht nach Regen aus   …»), während sein Pferd scharrt und wiehert. Die erzielte Reaktion ist enttäuschend: ein Hagel von Steinen, Speeren und Hacken prasselt rings um ihn nieder.
    Musketen und Bajonette schwingend, sind inzwischen mehrere Soldaten von der Straße herbeigeeilt. M’Keal stößt Drohungen und rassistische Flüche aus, und jetzt kommt Martyn mit gezogenem Säbel den Hügel herabgestürmt, sein Pferd hat schon Schaum vor dem Maul. Ned gelingt es, auf die Straße zurückzukriechen, wo Walters und Purvey mit den übrigen einen schützenden Kreis gebildet haben, Boyles aber wird von zwei erzürnten kleinen Schwarzen in ausgebeulten Shorts und weißen Kapotthütenattackiert und zu Boden gerissen. «Nicht schießen!» schreit Mungo, dessen Pferd das verwüstete Feld nun verläßt, mit Maisblüten und -blättern behangen, als wäre es für ein Hochzeitsspalier dekoriert.
    Zum Schluß steht es unentschieden. Die aufmarschierte Truppe des Königlichen Afrika-Corps auf der einen Seite, die zornigen Bauern auf der anderen. Mungos Leute weichen nicht zurück, machen aber besorgte Mienen. Die Schwarzen johlen und bewerfen sie mit Erdklumpen. Ein Mann schwenkt eine blutige Eselskeule wie eine Waffe, andere probieren rote Flanellhauben auf, die sie aus Boyles’ Gepäck konfisziert haben. Der Rest gestikuliert mit Speeren und Hacken und emporgereckten Mittelfingern. «Am Arsch, weißer Mann!» brüllt jemand auf mandingo, und der Ruf wird von der Menge aufgenommen: Kampflied, Slogan, Versprechen und Programm zugleich.
    Mungo sitzt auf seinem Pferd und blickt über die Masse der schwarzen Köpfe hinweg, auf die heranschwärmende Verstärkung aus den Stadttoren. Er weiß auch nicht recht, aber irgendwie hätten die Beziehungen zu den Einheimischen einen besseren Einstieg haben sollen. Ja, etwas ist hier schiefgelaufen – ganz eindeutig   –, denkt er, während er zusieht, wie die Menschenmenge wie eine Eiterbeule anschwillt, die Neuankömmlinge in den Schmähruf einfallen und der bleiche Fleck von Boyles’ Gesicht in der schwarzen Masse untertaucht wie eine Feder im Tintenfaß.

REQUIEM FÜR EINEN SÄUFER
    «Tja, Zander, das war ja wohl der schlagende Beweis, was? – Wir brauchen dringend einen Dolmetscher. Damit alles wenigstens etwas glatter abläuft. So ein Mißgeschick wie das mit dem Maisfeld können wir uns jedenfalls nicht noch einmal leisten.» Versonnen pafft Mungo an seiner Pfeife. «Üble Sache war das»,sagt er nach einer Weile. «Einen Moment lang dachte ich, es würde zur offenen Schlacht ausarten.»
    Zanders Augen sind rotgerändert. Er wirkt ausgelaugt, physisch und auch emotional. «Aber was die mit ihm gemacht haben – barbarisch ist noch milde gesagt. Das war, das war   …»
    «Sind eben Wilde, Zander. Da führt kein Weg dran vorbei.» Der Entdeckungsreisende beugt sich über eine Landkarte, die sinkende Sonne taucht die Zeltwand in Rosa, neben ihm im Staub wird ein Teller Linsen mit Pökelfleisch kalt. «Deshalb müssen wir einen verläßlichen Schwarzen finden, der diese Leute und ihre Sitten kennt, der weiß, zu welchem Dorf diese Straße führt und wer jener Häuptling ist. Ich würde sagen, versuchen wir’s mal in Dindiku, Johnsons altem Dorf. Da kennen sie mich. Vielleicht treffen wir sogar einen seiner Verwandten – einen Cousin oder Neffen oder so   –, der bereit ist, mit uns zu kommen.»
    Zander starrt auf seine verkrampften Hände. Das Essen hat er nicht angerührt. «Ich weiß nicht. Ich weiß nicht.»
     
    Die Karawane lagert in Barraconda, fünf Meilen hinter Medina. Sogar für westafrikanische Verhältnisse ist Barraconda ein reichlich mieses Nest. Knapp fünfzig Hütten, die sich hinter einem Wall aus Pfählen und Dornenranken zusammenkauern, rundherum eine graslose, strauchlose, baumlose Fläche mit den zweigeteilten Hufabdrücken von Hammeln und Ziegen, Unmassen blutsaugender Fliegen und keinerlei Wasser. Die Barracondaner haben offenbar schon von dem Vorfall in Medina gehört, sich in ihren Hütten verbarrikadiert und ihre Brunnen bis zum Grund leergeschöpft. Für die Soldaten ist es die Hölle. Nichts zum Kochen, nichts für die Esel, kein einziger Tropfen, um auch nur die Lippen zu benetzen. Schlimmer noch: es ist ihnen in Medina obendrein ein Urlaub mit
sulu
-Bier und leichten Mädchen entgangen.
    Aber niemand

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