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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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beklagt sich. Nicht nach der ernüchternden Konfrontation des gestrigen Tages und dem ekelerregenden Schrecken von heute früh.
     
    Bezeichnenderweise hatte sich die Lage im Maisfeld am Vorabend vom Unguten zum Schlimmsten entwickelt. Die Reihen der Bauern waren blitzschnell von ganzen Kompanien wütender, tobender Frauen verstärkt worden, die ausgemergelte Kinder hochhielten und über die harten Zeiten und den Niedergang des Glaubens zeterten, von staubtrockener Erde, kahlgefegten Scheunen und leeren Mägen. Krüppel schleppten sich an die Spitze des Gewühls, wo sie den Weißen ihre Krücken entgegenschwenkten, während einheimische Rednertalente Bambusplattformen aufstellten und begannen, mit schrillen Meckerlauten Gott und die Welt anzuprangern. Und über alledem das gräßliche, unheilschwangere Geheul der Hunde im Ort.
    Die Kombination war für Mungos beherzte Männer zuviel: sie wurden nervös. M’Keal bramarbasierte, Martyn war dicht davor, acht bis neun magere Bauern mit dem Säbel aufzuspießen. Die Esel witterten Eselsblut und schielten aus großen, platten Augen auf die Kadaver ihrer einstigen Gefährten; sie wichen zurück, die Ohren flach angelegt, eine Stampede stand dicht bevor. Scott rettete die Situation. Er dirigierte sein Pferd herum, ritt holpernd und stolpernd zu dem belagerten Entdeckungsreisenden hinüber und schlug vor, man möge sich hinter den Hügel zurückziehen und später nach Boyles sehen.
    Unter den Umständen blieb Mungo kaum etwas anderes übrig. Mit überschnappender Stimme gab er den Befehl, und die Männer traten unter einem Hagel von Stöcken und Steinen den Rückzug an.
    Sie verbrachten eine elende Nacht, ohne Wasser und Reis, mit knurrenden Mägen; die Wachen waren schreckhaft, Hyänen stahlen sich ins Camp, nervten die Esel undließen drei Sack Salzfleisch und M’Keals Lederhut mitgehen. Um halb zwölf sandte Whulliri Jatta, der König von Woulli, einen Emissär, um über Schadenersatz und die Bezahlung des Privilegs zu verhandeln, sein Reich zu durchqueren. Der Unterhändler war ein pfiffiger Bursche von etwa fünfundvierzig, in Löwenfellen und mit einer Nachtmütze aus rotem Flanell. Er schlenderte in Mungos Zelt, als wäre es sein eigenes, setzte sich hin und weigerte sich, den Mund aufzutun, ehe man ihm nicht 2200   Kauris, drei Meter scharlachrotes Tuch, achtzehn Leinenservietten, sechs Messer, eine Schere und einen Spiegel überreicht hatte. Bis zum Hals in Geschenken, lächelte der Unterhändler dann. «Ich sein Sadu Jatta», begann er, «dritte Sohn von Whulliri, und ich bin sprechen die Oxfurt-Englisch.» Sichtlich zufrieden damit, nahm er sein Schweigen wieder auf und bröselte
mutokuane -Blätter
in seine aus einem Makischädel gefertigte rituelle Pfeife.
    Mungo, Zander, Martyn und Scott sahen ihn gespannt an. Er starrte ungerührt zurück, so entspannt und gelöst, als säße er im eigenen Schlafzimmer. Schließlich räusperte sich Mungo, entschuldigte sich wortreich für den Schaden am Maisfeld und fragte, was Sadus Vater wohl als Kompensation ansehen würde.
    Sadu lauschte dem Rezitativ des Entdeckungsreisenden aufmerksam und nickte ab und zu weise. Doch als Mungo fertig war, glotzte ihn der Prinz nur verständnislos an und fragte: «Fatta?»
    Der Entdeckungsreisende wiederholte alles auf mandingo, und Sadus Züge erhellten sich mit freudigem Begreifen. Er nickte heftig und setzte dann ein breites Grinsen auf. «Meine Fatta wollen», sagte er, «alles.»
    Nach sechs Stunden waren die Verhandlungen abgeschlossen. Whulliri würde ein Drittel des gesamten Ambras und aller Korallen erhalten, dazu 40   000   Kauris, dreißig Meter Taft, eine versilberte Geflügelschere und ScottsSchottenmütze; im Gegenzug sah man den Flurschaden als beglichen an und gestattete der Karawane, Woulli von Grenze zu Grenze zu durchqueren. Von Boyles war keine Rede. Der Entdeckungsreisende erbot sich, ihn für weitere 40   000   Kauris und ein Porträt von König Georg   III. loszukaufen. Sadu winkte ab. «Nix möglich», sagte er mit liebenswürdigem Lächeln. Und dann auf mandingo: «Ihr könnt ihn bei Tagesanbruch holen kommen.»
    Der Sinn seiner Rede erhellte sich zwei Stunden später, als einer der Wachtposten von den ersten Sonnenstrahlen geweckt wurde und etwas von der Mauer neben dem Haupttor der Stadt baumeln sah. Etwas Weißes auf rotem Lehm. Flink drehte der Mann an seinem Fernrohr, starrte volle fünfzehn Sekunden hindurch und ließ es schließlich mit einem

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