Wassermusik
wie die wahren beherzten Kämpfer, die sie ja sind, bis ins letzte Grübchen am Kinn von echtem Schrot und Korn erfüllt, und ballern drauflos wie die Weltmeister, wie Mörder. Sobald das Boot aus der Pfeilschußweite kommt, ist es ein Kinderspiel. Ein Schützenfest. Wie Entenjagen in den Cotswold Hills. In gedämpfter Wut feuern sie auf ihre Widersacher, mit demOhne-Pardon, der absolut schonungslosen Besessenheit, die sie auch auf dem Dibbie-See ergriffen hat; sie feuern, bis die gesamte Flottille zerstört ist, und dann wenden sie sich der Linie der Einbäume zu, die ihnen flußabwärts den Weg blockiert.
Die Schwarzen halten die Stellung. Hundert Meter vor ihnen schwenkt Ned die
Joliba
breitseits, die Männer treten an wie ein Erschießungskommando – Mungo, Amadi und die Sklaven an einem Ende, Martyn, M’Keal und Ned am anderen – und schicken Salve um Salve in die Reihen der Schwarzen, während sie ihnen langsam entgegentreiben. Einer ihrer Gegner sieht mit seinen Straußenfedern und Korallenketten aus wie ein Häuptling oder vielleicht der König. Er steht aufrecht im Bug des vordersten Kanus, die eine Hand umfaßt ein Zepter, die andere ist gebieterisch-feierlich erhoben, in einer Gebärde, die besagt: Legt eure Waffen nieder und laßt alle Hoffnung fahren, streckt die Waffen und ergebt euch im Angesicht der königlichen Allmacht und unserer deutlichen Überzahl. Als Martyn ihn mit einem einzigen Schuß umlegt, scheint das dem Widerstand das Rückgrat zu brechen. Im nächsten Moment wirft Ned die
Joliba
wieder herum, rammt das letzte Kanu, das ihnen noch den Weg versperrt, und das war’s. Leichtes Spiel.
Der einzige Verwundete ist M’Keal. In der Hitze des Gefechts hat ihn eine Muskete getroffen – ja, eine Muskete. Sah nach einem Mauren aus, er saß im Bug einer der Pirogen – «ein Riesenkerl, ganz in Schwarz». Die Kugel trennte ihm die obere Hälfte des linken Ohrs ab und kürzte seine eisgrauen Haare um ein paar Zentimeter. Eine harmlose Wunde, in jeder Hinsicht. Als er jedoch getroffen wurde, klinkte etwas in ihm aus. Er drehte völlig durch. Bekam Schaum vor den Mund wie ein tollwütiger Hund, verfaßte ein neues Buch mit rassistischen Schimpfwörtern, trampelte und stammelte und schüttelte die Faust.Dann begann er, unter pausenlosem Gequassel, die erstaunten Schwarzen übers Wasser hinweg mit Gegenständen zu bewerfen. Zuerst warf er mit Musketen, sechs oder acht Stück insgesamt, dann ein Fäßchen mit Pulver. Rings um ihn tobte die Schlacht; keiner bemerkte etwas. Er stemmte einen Sack Reis über Bord, einen Kavalleriesäbel, den Sextanten. Diese bekackten Eingeborenenwichser, denen würde er’s zeigen. Als nächstes war eine Kiste mit Munition dran, dann der Seesack des Entdeckungsreisenden: samt Kompaß, Notizen, angefangenen Briefen an Ailie und so weiter. Fluchend und grollend trommelte sich der rotgesichtige alte Soldat auf die Brust und schleuderte seine Schuhe, seine Unterwäsche, seinen Panamahut, die Teekanne, ein Faß Pökelfleisch und einen Kasten mit verfaulenden Yamwurzeln in die Gegend. Als die Gefahr gebannt war und sie ihn endlich bändigen konnten, hatte der sehnige Veteran der Westindien-Feldzüge die Ladung um die Hälfte erleichtert und jeder weiteren Messung von Längen- oder Breitengrad sowie allen Fragen über die Lage des magnetischen Pols ein Ende bereitet.
Es schien kaum etwas auszumachen.
Ohne Chronometer, Kompaß und Sextant blicken die geographischen Missionare auf der
H.M.S. Joliba
zur Sonne auf und wissen, daß es Mittag ist, immerdar, und daß sie nach Norden treiben, in die Wüste, in die sengende Hitze, direkt in den Schlund des Mysteriums. Ihr Haar strotzt vor Fett und Staub und bedeckt ihre Schultern, die Bärte reichen ihnen bis zu den Hüften. Die stolzen roten Uniformen hängen längst in Fetzen – zu Lendenschurzen degeneriert –, und die einst so blitzenden Stiefel sind in Stücke zerfallen. Ungewaschen, undiszipliniert, unterernährt, mit mageren Rippen und trüben Augen, fleckiger, sonnenversengter Haut und Blasen auf den nackten Füßen, könnten sie die letzten Überbleibsel eines uralten Stammes sein, derzu neuen Ufern emigriert, irgendwelche Höhlenmenschen, die Dreck und Abfall und rohes Fleisch fressen. Nur Amadi und seine drei Sklaven bleiben unverändert. Wachsam und munter sitzen sie unter ihren breitkrempigen Hüten und werfen Knochenplättchen. Das sind keine Menschen des 19. Jahrhunderts, sie gehören dem Jahrtausend
Weitere Kostenlose Bücher