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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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an, sitzt einen Meter vor ihr. Seine Beine berühren die ihren.
    «Ja», sagt sie lachend, alles ist lustig, alles perfekt. Schon jetzt ist sie trunken, dabei haben sie den Wein noch gar nicht entkorkt. «Ja», wiederholt sie, und dann kommt genauso rasch ihr «Nein». Georgie, gehorsam wie ein Ackergaul, hört auf zu rudern. «Ich meine, das Schloß haben wir doch schon gesehen. Fahren wir doch hinaus auf die Mitte des Sees, ganz weit weg vom Ufer, so ein richtiges Abenteuer. Wir können doch einfach dort treiben, den ganzen Tag.»
    Er grinst ein breites, freudiges Pferdegrinsen. Nichts täte er lieber, als mit ihr auf Loch Ness herumzufahren – wohin sie will, mit ihr dahintreiben, bis die Sonne sinkt. Er legt sich mit Macht in die Riemen und verschlingt das Festmahl ihrer Blicke.
    Der Kahn reitet auf den Wellen hinaus, der Klang der Ruderschläge ist wie ein Glockenspiel im Wind, und Ailie wirft mit geschlossenen Augen den Kopf zurück, fühlt sich wie die Heldin in einer mittelalterlichen Romanze, wie Una oder die schöne Isolde. Und Georgie ist der schwitzende Held, da ist das Schloß und hier die bedrängte Edelfrau: jetzt fehlt nur noch ein Drache. Sie lacht laut auf bei dem Gedanken, und Georgie lacht mit, sein Grinsen ist so breit wie der Horizont.
    Eine Stunde später treiben sie im weichen Schoß des Sees, genau in der Mitte, zwischen Ufer und Ufer, das Boot hebt und senkt sich leise mit dem fast unmerklichen Atem der großen, stillen Wasserfläche. Die Sonne strahlt herab wie Eiderdaunen, weich und verschwenderisch. Georgies Jackett hängt über der Bugbank, sein Hemd steht bis zur Taille offen; Ailie hat Schuhe und Strümpfe ausgezogen und läßt die Füße im Wasser baumeln wie ein Mädchenvom Lande. Aufschnitt und Brot und Radieschen liegen verstreut auf dem makellos weißen Viereck des Leinentuchs, zwei leere Weinflaschen liegen auf den Planken und kullern langsam mit der Dünung des Sees hin und her. Ailie und Georgie lachen über die alten Zeiten.
    «Also, diese Gedichte, die du mir damals geschrieben hast! Die Morgenröt’ deiner Wangen/​die schäumenden Wogen deiner Brüste   … die waren alle so, so lächerlich.» Sie verschluckt sich beim Lachen, ringt nach Atem, der Mechanismus hat sich verselbständigt, ihr Lachen kommt wie ein Schluckauf.
    Georgie lacht auch. Er war wirklich lächerlich. Gibt er ja zu.
    «Und, und – wie du immer Blockflöte gespielt hast und, und gesungen hast   –» Ihr Gesicht ist von Wein und Blut gerötet, in ihrem Hinterkopf pocht es, so sehr muß sie lachen.
    «Ich geb’s ja zu», lacht Georgie. «Ich war einfach unmöglich, mit Pickeln im Gesicht, ein mondsüchtiger kleiner Junge.» Auf einmal lacht er nicht mehr. «Aber ich hab’s ernst gemeint, Ailie. Ich habe dich damals geliebt, und ich liebe dich auch heute.»
    Es ist, als hätte jemand plötzlich den Vorhang fallen lassen, den Text geändert. Eben noch hat sie gelacht, ganz die, die das Geschehen bestimmt, der Scherz ging auf Georgies Kosten; jetzt sitzt sie angespannt und reglos da. Seine Worte bohren in ihr wie Finger in Lehm, erweichen sie, lassen ihr Blut pulsieren wie einen Trommelmarsch. Hör auf, denkt sie, hör auf. Und dann: mach weiter, mach weiter.
    Jetzt ist er auf den Knien, zwischen ihren Beinen, seine hageren, knochigen Hände fahren hastig über ihre Schenkel, als wäre sie ertrunken und er versuchte, sie wiederzubeleben. «Von Anfang an», sagt er, «ich schwör’s dir   …», aber sie legt ihm die Hand auf den Mund, umfaßt seinen Kopf, streichelt das knorplige, gelbliche Schauspiel seinerOhren. Die Sonne, der Wein, die Romantik des Sees, das verfallene Schloß,
anderthalb Jahre Enthaltsamkeit
: sie steht in Flammen.
    Ehrfürchtig, anbetend, ohne jedes Zeichen von Unbeholfenheit oder Unsicherheit drückt er sich an sie, ein wahrer Anbeter, und die geheime Zeremonie nimmt ihren Lauf, so glatt und angemessen, als wäre sie einstudiert. Ihre Röcke, die Unterwäsche, die Knöpfe seiner Hose. Und Ailie: ihr Denken hat ausgesetzt, sie ist ein Geschöpf des Gefühls, der elektrischen Spannung, des Streichelns und Streichens und Liebkosens, ihre Augen sind geschlossen, der Rhythmus hält sie gefangen, das Boot schwankt leicht, ihre Hände umschlingen Georgies Schultern, ihr Gesicht ist in seinem, seine Zunge   …
    Sie schlägt die Augen auf, schließt sie, öffnet sie wieder. Hinter seiner Schulter: Was ist das? Durch sein Haar, durch die eckige Geographie seiner Ohren hindurch. Sie

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