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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und waren zum Heck gegangen, wo Mungo und Ned Rise standen und Erinnerungen über die Bond Street und die Drury Lane austauschten. Amadi sprach mandingo. In drei Tagen seien sie in Yaour, sagte er, aber heute abend müßten sie vorAnker gehen, weil bald ein paar gefährliche Stromschnellen kämen. Er würde sie am nächsten Morgen durch die Stromschnellen lotsen und dann die Vorbereitungen zur Landung in Yaour treffen. Ob er wohl inzwischen schon einmal die Sachen begutachten könne, die ihm der Entdeckungsreisende als Bezahlung zu geben gedenke.
    Die Sklaven musterten Mungos Gesicht, als wäre er eßbar. Er wollte nicht wahrhaben, daß Amadi ihn verlassen würde, wollte nicht mit ihm verhandeln. Es kam ihm sogar die Idee, den Vertrag zu brechen, dem Führer die Pistole an den Kopf zu setzen und ihn zum Mitkommen zu zwingen. Aber nein, das ging nicht. Seine Beziehungen zu den Eingeborenen – soweit er überhaupt welche hatte – waren immer von gegenseitigem Vertrauen geprägt gewesen. Amadi hatte seinen Teil des Abkommens erfüllt, und Mungo würde auch zu seinem stehen. «Na gut», sagte er schweren Herzens. «Wir lassen dich ungern ziehen, aber da kann man wohl nichts machen.» Er sah Amadi hoffnungsvoll an, doch dessen Miene war unterzeichnet, zugeklebt, abgeschickt. «Tja. Also, es schadet ja nichts, wenn ihr euch schon mal aussucht, was ihr nehmen wollt – aber denk dran: du hast versprochen, uns einen neuen Führer zu besorgen, wenn wir in Yaour sind. Klar?»
    Amadi machte eine gehorsame Gebärde und schlüpfte dann unter den Baldachin, seine Sklaven wie Schatten hinterher, um durchzusehen, was nach M’Keals Anfall in Gotoijege noch alles übriggeblieben war. Lange Zeit hörte der Entdeckungsreisende sie über diesen oder jenen Gegenstand murmeln, erstaunte Pfiffe ausstoßen, in einem leisen, geflüsterten Dialekt debattieren, den er nicht verstand. Nach etwa einer Stunde ließ Mungo Ned den Anker auswerfen, und Amadi zog sich mit seinen Leuten zu dem gewohnten Platz am Bug zurück. Als es dunkel wurde, wickelten sich die Sklaven in ihre
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und schliefen ein, nur Amadi blieb sitzen, reglos wie ein Toter, seine Blickefixierten das Ufer, die Glut seiner Pfeife war wie ein Leuchtturm in der hereinbrechenden Nacht.
    Am Morgen war er weg.
    Zuerst glaubte es Mungo gar nicht. Er erwachte im Nebel, zum Zwitschern der Vögel, zu M’Keals Schnarchen, und tastete sich nach vorn, um Teewasser über dem Kohlenrost heiß zu machen, den sie dort errichtet hatten. Aber irgend etwas stimmte nicht. Der Bug war leer, die eingerollten schwarzen Gestalten, die viereinhalb Monate dort gelegen hatten, bis sie zu einem Teil des Schiffs geworden waren – Verwerfungen im Holz, menschliche Anker, zusammengelegte Segel   –, waren weg. Verschwunden. Als wäre jemand mit dem Radiergummi an ein vertrautes Bild gegangen. Es war beunruhigend. Zutiefst beunruhigend. In Panik weckte Mungo seine Männer und machte eine hastige Bestandsaufnahme.
    Drei Viertel der Musketen waren geklaut. Pulverfässer, Kugeln, jeder Fetzen Baumwolle, das Kleinzeug und die Kinkerlitzchen – so ziemlich das einzige, was sie dagelassen hatten, war die Klarinette, die Ned von Scott geerbt hatte. Martyn tobte. «Diese verfluchten Plattköpfe, diese schwarzen Niggerkanakenräuber. Sind davongeschwommen mit dem ganzen Zeug, was?»
    So war es. Krokodile oder nicht. Und nun waren die Männer der
Joliba
ohne Führer, ohne Tauschwaren und nahezu wehrlos mit dem dezimierten Arsenal und einer um die Hälfte verminderten Besatzung. Es sah schlimm aus, aber lange nicht so schlimm wie fünf Minuten später. Da nämlich sollte eine sorgsam vorbereitete Attacke losbrechen, eine Attacke, bei der zähnefletschende Maniana-Kannibalen und durch Sabotage unbrauchbar gemachte Waffen eine Rolle spielten (Amadi hatte in allen Musketen, die er nicht mitnehmen konnte, das Pulver naß gemacht und ganz offensichtlich irgendeinen schändlichen Pakt mit den Maniana geschlossen). Später dachte Mungo an den Vorfallzurück, und ihm wurde klar, daß der Führer das Ganze wohl von Anfang an geplant hatte, mit den Ghoulen die ganze Zeit über in Verbindung gestanden und sie so mitleidlos verkauft hatte, wie man Ziegen oder Hühner auf dem Markt verscherbelt. Eiskalt war Amadi gewesen. Böse. Er hatte ihnen das Messer in den Rücken gerannt.
    Zum Glück hatte Ned Rise aber die Geistesgegenwart besessen, beim ersten gastronomischen Heulen der Feinschmecker im Busch die Ankerleine zu

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