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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zelt Federn verstreut   … aber trotzdem saß Fatima genauso da wie vorher, während der
Nazarini
und sein Sklave zitternd am Boden lagen und Einauge und der Nubier über ihnen standen wie Scharfrichter. «Was im Namen Allahs ist hier los?» wollte er wissen.
    Der Nubier, der in seinem ganzen Leben noch kein Wort gesprochen hatte, schwieg weiter.
    Das Schwein streckte, immer noch bebend, in einer Ecke alle viere von sich, und Ströme von Blut ergossen sich aus seiner durchschnittenen Kehle. Sein Kopf lag zu Füßen des Nubiers.
    «Herr erbarme dich unser!» wimmerte Johnson in den Sand.
    Schließlich schraubten die Dienerinnen ihr Wehklagen auf ein leichtes, von Schluchzern durchsetztes Gejammer herab, und Einauge begann einen Stakkatovortrag über die unseligen Ereignisse, wobei er seine eigene Beteiligung so gut wie möglich herunterspielte und dafür das rücksichtslose und unverantwortliche Verhalten des
Nazarini
und seines Sklaven betonte. Dassoud hörte ungeduldig zu, wiegte sich in den Knien und drehte ruhelos den Säbel in der Hand, bis er schließlich die Geschichte unterbrach und nachdrücklich feststellte, die Übeltäter seien in die Dünen zu führen, wo ihnen der Bauch aufgeschlitzt werden müsse. In diesem Moment räusperte sich Fatima. Dassoud verstummte. Ihre Stimme war fest, die Wortwahl kurz und bündig. Den Inhalt ihres Einwurfs bekam der Entdeckungsreisende nicht allzu genau mit, doch der Endeffekt war, daß er und Johnson zu ihrem Zelt zurückgebracht wurden, wo man einen siebenten Schergen mit schweren Lidern zum Aufstocken der Wache anforderte; die sechs bewährten und zuverlässigen Männer schlummerten bereits vor dem Eingang.
    Eine Stunde später durchsetzte ein ungewohnter Duft die Luft. Mild und dabei pikant, voller Assoziationen an Herde und Bratensoße und Gewürze. Das Aroma von gebratenem Fleisch. Der Entdeckungsreisende schluckte zweimal. «Johnson – riechst du, was ich rieche?»
    «Roastbeef. Würd ich überall erkennen.»
    Im selben Augenblick teilten sich die Eingangsklappen, und die saftige, wohlriechende Aura erfüllte das Zelt. Es war eines der Pluderhosenmädchen. In der Hand trug sie eine Antilopenlende, die gerade frisch und zischend vom Bratspieß kam. Sie gab sie dem Entdeckungsreisenden. «Für dich», sagte sie. «Von Fatima.» Dann zwinkerte sie ihm zu und verschwand in der Nacht.
    Mungo riß mit den Zähnen ein großes Stück herunter und gab die Keule an seinen Dolmetscher weiter. «Jetzt sind wir wohl auf der Zielgeraden, Alter – anscheinend hab ich doch das Richtige gemacht.»
    «Vielleicht steht sie auf Slapstick», bemerkte Johnson.
    «Wer weiß? Aber eins ist sicher: sie ist ein Engel. Zuerst die
guerba
, dann Kuskus mit Milch – und jetzt das hier!»
    «Echt», sagte Johnson mit vollem Mund. «Das war wirklich nobel von ihr.»
     
    Am nächsten Morgen sandte sie ihm eine Schüssel Joghurt und bittersüße Hûna-Beeren; am Abend war es Hirn mit Reis. Er war erstaunt. Nach zwei Monaten Wasser und Schleim gab es auf einmal etwas zum Beißen. Und das war ja nur der Anfang. An den folgenden Tagen brachte ihm Fatimas Dienerin Schafsleber, Kamelrücken (geschmort), Kichererbseneintopf mit Kalbsbries, Buttermilchpudding, drei Dutzend frikassierte Trappen und ein ganzes geröstetes Zicklein. «Soul-Menü», nannte es Johnson. «Die steht voll auf den Mann in Ihnen – mit Ihrem unansehnlichen und vollgeschissenen Äußeren hat das überhaupt nichts zutun.» Innerer Mann, äußerer Mann, was machte das schon für einen Unterschied? Beide ernährten sich von rotem Fleisch. Auf jeden Fall hatte er gute fünfundzwanzig Kilo verloren, seit er in Portsmouth in See gestochen war. Er sah hinunter auf seine gelb verfärbten Zehen, auf die schmalen Fußknöchel, auf die dünnen Oberärmchen: viel mehr als dreiundsechzig wog er bestimmt nicht mehr. Doch dann grinste er und murmelte ein kurzes Gebet. Wenn es so weiterging wie bisher, dann würde er das im Nu wieder ansetzen. Und dann – wer weiß – wäre er vielleicht auch bald kräftig genug, um einen kleinen Reißaus zu wagen.
    Auch hatte sich einiges verändert: Er durfte nun frei im Lager umherwandern (beschattet von den sieben Aufpassern natürlich), konnte beliebig viel Zeit mit Johnson verbringen und sich außerdem aus erster Hand über die Mauren und ihre Sitten und Gebräuche informieren. Vor allem letzteres hob seine Stimmung ungemein. Komme, was wolle, er war schließlich
Forscher
– und nun kam er doch noch

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