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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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zum Forschen. Er wohnte zwei Beschneidungen bei, einem Begräbnis und dem Tod eines Hundes, der an Alis Zelt das Bein gehoben hatte. Er sah den Sklaven zu, wie sie Hirse stampften, Häute gerbten, in einer zwischen zwei Stöcken aufgehängten
guerba
Butter machten; er war Zeuge, wie sie Gebete rezitierten, den Darm entleerten, Gefäße töpferten, Wurzeln kauten, Kinder und Hunde tätowierten. Alles hochinteressante, aber auch sehr vergängliche Eindrücke. Er konnte kaum einen Tag vom nächsten auseinanderhalten.
    Als er dann eines Morgens einen Sklaven beobachtete, der einer Kamelkuh die Zitzen abschnürte, damit das Kalb nicht in der größten Mittagshitze trank, kam ihm die Idee wie ein Schlag auf den Hinterkopf: Er würde ein Buch schreiben! Ein Buch schreiben und damit berühmt werden wie Marco Polo oder Gulliver oder Richard Jobson. Warum nicht? Er war ja mittendrin, sah und roch undschmeckte, was sich kein Weißer jemals zu erträumen gewagt hatte – es wäre doch ein Verbrechen, die Chance, das alles zu dokumentieren, zu vertun. Er marschierte zurück ins Zelt, riß einige Blätter aus seiner Taschenbibel und begann zu schreiben, füllte Seite um Seite mit seinen Impressionen über Klima, Flora und Fauna, geologische Formationen, Tracht und Physiognomie der schwarzen Mauren, der Mandingo, der Serawoulli und der Fulah. Er beschrieb Alis Bart, Dassouds bösen Blick, die Hitze zur Mittagszeit, die Einsamkeit unter dem Affenbrotbaum. Erzählte von Fatimas Großmut, vom Nachgeschmack der Hûna-Beere, vom Duft des Holzfeuers in der Nachtluft. Er schrieb an jenem Tag dreißig Seiten voll, die er im Innenfutter seines Hutes versteckte.
    Eines Abends war er bei einer Hochzeit zugegen. Sie besaß verblüffend viele Ähnlichkeiten mit dem Begräbnis, das er gesehen hatte: Klageweiber, heulende Hunde, eine feierliche Prozession. Die Braut war ein wandelnder Schleier, von Kopf bis Fuß verhüllt, selbst ihre Augen waren unsichtbar. Er fragte sich, wie sie überhaupt sah, wo sie hintrat. Klageweiber folgten ihr gemessenen Schrittes zum Klang einer
tabala
: Der Bräutigam trug Schnabelschuhe. Er wurde von einer ganzen Kohorte Moslems in bestickten Burnussen und einem Trupp Sklaven begleitet, die Ziegen und Ochsen führten, und er schleppte ein Zelt mit. An einer bestimmten Stelle wurde das Zelt aufgeschlagen, Ziegen und Ochsen geschlachtet und in einer Erdmulde ein Feuer entfacht. Dann gab es ein Festmahl. Rind und Hammel, Singvögel, geröstete Maden und andere Delikatessen. Es wurde getanzt, Lieder wurden gesungen und Geschichten erzählt. Zum Schluß kam die
pièce de résistance
: ein ganzes gebackenes Kamel.
     
    GEBACKENES KAMEL (MIT FÜLLUNG)
    Für ca. 400   Personen:

    500   Datteln

    200   Regenpfeifereier

    20   Karpfen (Zweipfünder)
    4   Trappen, gereinigt und gerupft
    2   Schafe
    1 großes Kamel
    div. Gewürze
     
    Man grabe ein Feuerloch. Flammenmeer auf eine ca . 1   m tiefe Lage glühender Kohlen hinunterbrennen lassen. Die Eier separat hartkochen. Die geschuppten Karpfen sodann mit geschälten Eiern und den Datteln füllen. Die fein gewürzten Trappen mit den gefüllten Karpfen füllen. Schafe mit den gefüllten Trappen füllen, sodann Kamel mit den gefüllten Schafen füllen. Das Kamel kurz ansengen, dann mit Doumpalmenblättern umwickeln und in der Glut vergraben. Zwei Tage lang backen. Als Beilage Reis servieren.
     
    Ein regelmäßiger Termin in dieser Zeit des Übermaßes waren die täglichen Treffen des Entdeckungsreisenden mit der Königin. Jeden Nachmittag – gleich nach dem
dhuhur
oder Mittagsgebet – wurde er auf ein weiteres Frage-und-Antwort-Quiz zu Fatimas Zelt bestellt. Sie fragte, er antwortete. Unersättlich war sie, niemals müde, ihn auszufragen. Sie war Ethnologin, Soziologin, Studentin der komparativen Anatomie. Sezieren und begreifen wollte sie all seine Gebräuche, Gedanken und Überzeugungen; sie wollte sein Essen probieren, seine Kleider anziehen, in seiner Loge im Theater sitzen. England, Europa, die weiten und unsteten Ozeane – sie wollte sie mit Worten befestigt haben, geschmeidigen und beschwörenden Worten, mit Worten, die sich ihrer Phantasie eingraben sollten. Sie wollte Visionen. Sie wollte die Erinnerungen hinter seinem Auge. Sie wollte ihn regelrecht verdauen. Warum war er nach Ludamar gekommen? Wie kam sein Vater ohne ihnmit den Herden klar? Wieso trug er so eine blödsinnige (
jalab
) Kopfbedeckung? Hatten alle Christen Katzenaugen? Wie fühlte man sich auf

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