Wassermusik
dem Meer? War er je gekreuzigt worden? Der Entdeckungsreisende grinste wie ein Affe, versuchte schlecht und recht, Witz und Charme auszustrahlen und dabei ihre Fragen so vollständig und geduldig zu beantworten, wie er konnte.
Eines Nachmittags fragte sie, ob die
Nazarini
die Beschneidung praktizierten. «Selbstverständlich», erwiderte Mungo. Sie wollte sich überzeugen. Der Entdeckungsreisende warf Johnson einen verzweifelten Blick zu. «Was mach ich jetzt?» flüsterte er.
«Sagen Sie ihr, Sie seien mehr als glücklich, es ihr zu demonstrieren – aber es müsse unter vier Augen sein. Dann zwinkern Sie ihr ein paarmal zu.»
Mungo sagte es ihr. Er zwinkerte. Einen Moment lang war es im Zelt still wie auf der finsteren Seite des Mondes. Die schwarzen Augen der Königin blitzten über dem Rand ihres
yashmak
. Dann klatschte sie sich auf die Schenkel und kicherte.
Am diesem Abend aß der Entdeckungsreisende Lammkeule.
Es ist Morgen, dreieinhalb Wochen nach seinem ersten Zusammentreffen mit Fatima, und der Entdeckungsreisende schreibt im Schatten einer Akazie in sein Notizbuch.
Die maurischen Frauen
, schreibt er,
tragen ihr Haar in neun Zöpfen, die sie auf die folgende Art theilen: zwei links und rechts des Gesichtes, sechs dünnere geflochtene Strähnen über dem Scheitel und ein dicker Zopf am Halsansatze. Ihr Haar wird einmal im Monat gewaschen und eingeoelt, gelegt und geflochten jedoch allwöchentlich. Aus sanitairen Gründen, und weil es zudem die Haare ein wenig bleicht, machen die Frauen gerne eine Spülung mit Kameelharn, der zu diesem Zwecke gesammelt wird. (Zu allen Zeiten sieht man Sclaven mit Tassen
in der Hand ein urinierendes Kamel querein durch das Lager verfolgen.) Der Harn ist ein starkes Adstringens und tötet Würmer und anderes Geziefer ab. Ich selbst hatte sogar Gelegenheit, seine Wirksamkeit zu prüfen, da meine Scham-, Achsel-, Backenbart- und Haupt-Haare von Läusen und Wüstenmilben befallen waren. Ich fand es erfrischend, wenn auch von recht bestialischem Gestanke …
Die Wangen des Entdeckungsreisenden sind von rosiger Frische. Seine Augen glasklar. Würmer, Grippe, Krätze, Fieber, der rasselnde Husten – alles Vergangenheit. Böse Erinnerungen. Er ist jetzt Fleischfresser, ein Mann von Blut und Brühe, wie es einem Schotten ansteht, und jeden Tag wird er kräftiger. Die Hitze macht ihn natürlich fertig, und er leidet immer noch gelegentlich unter Sinnverwirrung – aber alles in allem haben ihn der geänderte Speisezettel und die frische Luft ein ganzes Stück aufleben lassen. Und Ruhe und Frieden taten auch ihr Teil. Noch vor einem Monat hätte er niemals hier sitzen können: Schon sein Anblick verursachte beim durchschnittlichen Moslem einen Anfall. In wenigen Sekunden wäre er von einem stinkenden, spuckesprühenden Mob islamischer Eiferer umringt gewesen. Jetzt ist das anders. Sie wissen, er steht unter Fatimas Schutz, und abgesehen von vereinzelten Vorkommnissen (vor kaum zwanzig Minuten hat ihm ein unerkannter Gegner mit einem Schweinepimmel eins über die Rübe gezogen) läßt man ihn in Ruhe.
Die Männer der Mauren dagegen baden nie. Sie haben jedoch zweimal im Jahr eine Ceremonie namens
asíla má,
während derer sie sich kurz vor Sonnenuntergang drei Viertelstunden oder länger im Sande eingraben. Danach werden sie wieder ausgegraben und mit dem Schweiße einer brünstigen Stute und mit dünnen Gerten des seríf- Busches abgeklopft. Wie man mir sagte, sei wohl diese Behandlung langem Leben und sexueller Spannkraft zuträglich.
Als der Entdeckungsreisende aufblickt, um seine Federzu befeuchten, stellt er überrascht fest, daß er nicht allein ist. Vor ihm steht das plumpere der Pluderhosenmädchen und folgt mit ihren schokoladenbraunen Augen der mal eintauchenden, mal dahinfliegenden Feder. «Was ist denn?» sagt er.
«Fatima sagt, du mußt sofort zu ihr kommen.»
Zu ihr kommen? Abends um zehn? Was sie bloß um diese Zeit mit ihm vorhat? «Na gut», sagt er und erhebt sich. «Ich hole gleich Johnson.»
«Nein», sagt das Mädchen, «Fatima meint, er wird nicht nötig sein.»
Der Entdeckungsreisende zuckt die Achseln. «Geh du voran», bittet er sie.
Sobald er sich durch die Zeltklappe schiebt, umfängt ihn Dunkelheit. Blaue Kringel pulsieren ihm vor den Augen, riesige gelbe Ringe schweben in den Raum davon. Er sieht nichts. Da sind die vertrauten Gerüche von Räucherkerzen und Kamelharn, das Rascheln der Würgfalken, die an ihren Flügeln knabbern.
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