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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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in Sichtweite der Oase kam, hatten sie seit drei Tagen nichts mehr zu trinken gehabt, ihre Lider waren geschwollen, die Kehlen wund. Ihre Handelswaren – persische Teppiche, Salz, Musketen, Kif – lagen weit hinter ihnen in den Dünen verstreut, noch immer auf den verwesenden Packtieren festgeschnallt. Als sie sich den Quellen näherten, stolperte das letzte Kamel und fiel zu Boden, wobei es mit den Beinen in der Luft ruderte. Einer der Männer stieß einen Schrei aus: Aufgespießt auf dem Vorderbein des Tiers steckte der abgenagte Brustkorb eines Menschen. Die Knochen klapperten und rasselten, Würfel im Knobelbecher. Die Händler sahen sich um. Der Sand formte kleine Hügelchen   – Hunderte von ihnen   –, aus denen hier eine Hand ragte, da eine Schädelplatte aufblitzte. Taoudenni war trocken.
    Dassoud forderte das Kamel. Zwei Männer stellten sich ihm entgegen. Beide brachte er um. Dann ließ er das Tierzur Ader, trank in tiefen Zügen aus der klaffenden Arterie und sammelte den Rest in einer
guerba
. Er aß die inneren Organe, die Magenwand, alles feucht und roh. Als er die anderen zum letztenmal sah, kauerten sie vor einer Felsspalte, die früher einmal Wasser gespendet hatte.
    Nachts lief er, tagsüber grub er Insektenlarven, Skorpione und Käfer aus der Erde. Er zerquetschte sie wie Nüsse und ließ den Blick dabei über die vom Wind gefurchten Dünen gleiten, er war leicht überdreht, sein Leben am Ende des dünnen Fadens angelangt. Es amüsierte ihn. Je aussichtsloser die Lage wurde, desto stärker fühlte er sich. Eines Nachts, er saugte gerade den Panzer eines Skorpions aus, allein im Universum und hoffnungslos verirrt, die
guerba
leer, da merkte er, daß es ihm Spaß machte. Die Wüste war hart. Er war härter. Wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, hätte er auch umdrehen und nach Libyen zurückschlendern können.
    Zwei Wochen nach seinem Abgang aus Taoudenni stolperte Dassoud zufällig in die Oase Tarra. Er tauchte die
guerba
in den tiefen Brunnen ein und trank, bis er kotzte. Während er kotzte, bemerkte er einen Schatten über sich, einen Schatten, den drei von Alis Elite-Reitern warfen. Er kniete im Sand; sie richteten ihre Musketen auf ihn. Wasserdiebstahl war unter den Mauren ein ebenso schändliches Verbrechen wie Kidnapping oder Geschlechtsverkehr mit dem Vieh des Nachbarn. Die Strafe war der Tod. Dassoud lauschte dem Klicken der Hähne. Er war verhungert, ausgetrocknet, erschöpft, unbewaffnet. Der erste schoß ihn durch den Ellenbogen, der zweite zog ihm den Krummsäbel quer übers Gesicht, der dritte war kein Problem. Als sie erledigt waren, riß er einem der Pferde ein Bein aus, schlang es hinunter und legte sich schlafen. Am nächsten Morgen ritt er in Benaum ein, donnerte bis vor Alis Zelt und bot dort seine Dienste als Scherge und menschlicher Schakal feil.

FLUCHT! (FORTS.)
    «Jesus Christus, Maria, Joseph und Alle Heiligen», flucht Mungo und sieht über die Schulter, «hättest du nicht ein bißchen höher zielen können?»
    «Wär gegen meine Grundsätze.» Johnson joggt nun neben seinem Esel her, seine Toga ist schweißdurchnäßt. «Hab mal», keucht er, «einen erschossen   … damals in London. Das hat ’nem kleinen Jungen das Herz gebrochen, pffpff, hab mir das   … nie verzeihen können.»
    «Grundsätze?» echot der Entdeckungsreisende und fragt sich, wie weit Grundsätze beim Abwenden eines frühen Todes wohl reichen können.
    Dassoud hinter ihnen zeigt keine Spur von schwindenden Kräften. Im Gegenteil belegt er seit etwa einer Stunde den Rücken des Entdeckungsreisenden mit Kraftausdrücken. Dabei blitzt die fuchtelnde Klinge im Sonnenlicht auf, wie um seine Worte zu unterstreichen. «Unbeschnittener!» grölt er. «Schweinefresser!»
    Mungo zieht den Hut über die Augen und hat eine Vision der Küche in Selkirk: frisch gepflückte Blumen, kalte Schinkenplatte, Ailie lächelt zu ihm auf. «Ist dir schon aufgefallen, daß der Bursche dahinten irgendwas gegen mich persönlich hat?»
    «Ha!» sagt Johnson im Weitertorkeln. «Der haßt Sie. Haßt Sie genau wie ein   … Bart das   … Rasiermesser oder ein Luftballon die   … Stecknadel. Ist doch klar. Sie   … betreten hier die Szene mit Ihrem   … Weizenhaar und Ihren Katzenaugen, ein Monstrum und Wunder», keucht er und ringt nach Luft. «Was, glauben Sie denn, war er vorher? Ebensogut können Sie   … erwarten, daß sich ein Straßenköter mit ’nem Schoßhündchen anfreundet.»
    «Oh», sagt

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