Wassermusik
verrät, daß der wohlwollende und mächtige Mansong, Mansa von Wabu, M’butta-butta, Wonda und noch etwa zweihundert anderen Orten, die ihm erwiesene Huldigung entgegennimmt. Doch schon bald bekommt er Migräne von der höchsten Konzentration, die das erfordert, und nach einer Weile setzt er lediglich eine interessierte Miene auf und läßt seine Gedanken schweifen. Nach weiteren zehn Minuten der Rede wird er auf seiner mentalen Wanderung durch eine Reihe von merkwürdig erstickten Lauten abgelenkt, die aus dem benachbarten Hof zu kommen scheinen. Geräusche eines Handgemenges vielleicht, gedämpfte Schreie, insgesamtein Klang, der ihm einen Bauernhof in Selkirk ins Gedächtnis ruft, das Schlachten von Hühnern für den Kochtopf. Er tippt Johnson auf die Schulter. «Was ist denn da nebenan los?»
Johnsons Augen sind tief in ihre Höhlen zurückgewichen. «Besser, Sie wissen das nicht.»
«… der großherzige Mansong …», leiert der Mann mit der Maske seinen Text herunter.
«Sag es mir! Das ist ein Befehl.»
«Also, man ist sehr beeindruckt.» Johnson blickt kurz auf, dann sieht er wieder auf seine Füße. Der Maskierte leiert immer noch. «Mansong läßt Ihnen zu Ehren gerade siebenunddreißig Sklaven den Bauch aufschlitzen.»
«Gütige Mutter Gottes.» Nichts hätte ihn darauf vorbereiten können. Nichts. Er beißt die Zähne zusammen und versucht, an Schottland zu denken, an gepflegte Hügel, offene weiße Gesichter, Geborgenheit und Vernunft. Aber ihm bleibt keine Zeit zum Denken, der gramzerfurchte Diener steht neben ihm und streckt ihm eine Art Beutel und einen Kelch mit einer dunklen Flüssigkeit, Wein oder Bier, entgegen – was wollen sie denn jetzt schon wieder von ihm?
«Nehmen Sie’s», zischt Johnson.
Etwas mitgenommen greift der Entdeckungsreisende nach Beutel und Kelch.
«Fünfzigtausend Kaurimuscheln», flüstert Johnson. «Das ist genug Cash, daß ein Dorf wie Dindiku die nächsten zehn Jahre locker damit auskäme. Lächeln Sie, Sie Narr. Nicken und grinsen Sie. Das reicht schon.» Johnson reibt sich die Hände wie ein Ladenbesitzer, der sich zum Abendessen hinsetzt. «Damit kriegen wir in jedem Dorf flußauf- und -abwärts ein Bett und was zu essen. Frauen. Bier. Fleisch. Kein Lager in den Büschen mehr.»
«Aber … diese verdammten Teufel von heidnischen Eingeborenen löschen direkt vor unserer Nase siebenunddreißigLeben aus – obendrein noch uns zu Ehren. Siebenunddreißig vernunftbegabte Wesen … Wenn wir das Geld nehmen, heißen wir das doch gut.»
«Hey, Mr. Park. Das ist nicht der Moment, hier herumzufrömmeln. Solange wir nicht als Nummer achtunddreißig und neununddreißig enden, können wir eigentlich nicht klagen.»
Der Maskenmann scheint inzwischen langsam zum Ende zu kommen, seine Phrasen werden lang und getragen; der Entdeckungsreisende, der bei jedem Keuchen und Stöhnen vom Nebenhof erschauert, fängt einzelne Wendungen auf: «glückliche Reise noch», «schade, daß ihr nicht länger bleiben könnt», «unermeßliche Reichtümer – flußabwärts». Zuletzt reißt sich der kleine Mann die Maske vom Kopf. In der Hand hält er einen Kelch. Er hebt ihn, als brächte er einen Toast auf den Entdeckungsreisenden aus.
Mungo starrt mit stumpfem Blick auf seine Hand. Überrascht stellt er fest, daß er den gleichen Kelch hält. «Heben Sie den Kelch», rät ihm Johnson. Von der anderen Seite der Mauer kommt ein brodelndes Geräusch, eine ächzende Blähung, als wenn man einem Mammut-Blasebalg die Luft ausquetscht. «Trinken Sie!»
Der Entdeckungsreisende hebt den Kelch, als prostete er dem kleinen Mann im Hyänenfell zu. Er legt ihn an die Lippen, der Duft sticht ihm in die Nase, wie Wild, ruft Erinnerungen wach an Moore und Wälder, auf der Jagd mit seinem Vater, jetzt der Geschmack, warm und leicht salzig, Roastbeef, Leber und Ente: Er denkt nicht nach, will nicht denken. Leert nur den Kelch und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.
SCHWINDENDE HOFFNUNGEN
Ailie Anderson hebt die Tasse an die Lippen, Dampf steigt auf, das schwarze, erdige Aroma des Espressos sticht ihr in die Nase. Wie gedünstete Eicheln, denkt sie und nippt. Oder ein gutes Glas Starkbier. Einige der Kirchenältesten haben Traktate gegen den Kaffee ausgeteilt, Traktate, in denen gezeigt wird, wie er moralischen Verfall bewirkt und gleichzeitig das Gleichgewicht des Körpers sowie den göttlichen Plan der Regulierung des Appetits durcheinanderbringt, aber sie gibt darauf nicht
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