Wasserwelten
Unterschieden innerhalb der Familien: Seebarben, Meeräschen, Lippfische, Brassen, Barben, Riffische und Drachenköpfe. Sodann die Familie der Haie, die Familie der Rochen, ferner Krake, Sepia und Kalmar, der Bärenkrebs, die Felsgarnele und die gemeine Sandkrabbe – kurz, es gibt Nachbarschaft genug. Außerdem können wir uns mit den Familien der Seeigel, Seesterne und Muscheln vergnügen. Gebissen kann man von etlichen werden, gestochen eigentlich nur vonzweien – wenn man vom Drachenkopf absieht. Das eine, was sticht, ist die kleine Qualle; das andere, allerdings nur beim Auftauchen, die gewöhnliche Wespe. Beide Stiche sind ohne weiteres zu ertragen.
Doch zurück zu den Fischen: Das, Damen und Herren, was wie Schwärme von silbernen Zigarren über den Grund zieht, sind Meeräschen. Sie sind ständig in Bewegung, und deshalb ist es so schwer, sie zu jagen. Der günstigste Augenblick ist, wenn sie den Kopf zum Futtern in den Sand stecken. Meeräschen haben viel Kraft und schmecken gut. Was manchmal grün schimmert, manchmal blau und manchmal sogar gelb, schmeckt weniger gut, ist aber genauso schwer zu jagen: ich meine den Lippfisch. Er lebt in Höhlen, Spalten und Felslöchern, darum kostet er manchen verbogenen Pfeil oder zerspellten Dreizack. Bei den Brassen hingegen, die in Familien auftreten und bei denen die großen Exemplare die Funktion von Gouvernanten haben, hat man kaum Glück; es sei denn, man versucht, den letzten Fisch zu schießen. Anders verhalten sich Barsche. Sie denken nicht daran, zu fliehen, bleiben, wo sie sind, und glotzen. Trotzdem ist der Barsch schwer zu erjagen, weil er sich fortwährend und unmerklich bewegt. Ganz uninteressant ist die Jagd auf den Drachenkopf, ein Biest mit Höckern, Beulen und knöchernem Maul. Ihn bekommt man fast immer – nur, seine Stacheln sind giftig!
Spaß, viel Spaß, Damen und Herren, finden Sie beim Spiel mit Kraken. Kraken sind ängstlich, und wenn sie keine Möglichkeit zur Flucht haben, blasen sie sich auf,winden und biegen sich, um einen Eindruck von besonderer Fürchterlichkeit hervorzurufen. In solchem Augenblick möchte der Krake sagen: ›Alle Geschichten, die du über mich gehört hast, sind wahr.‹ Sie sind natürlich nicht wahr. Gekocht schmeckt sein Fleisch exzellent, gebraten nicht weniger gut.«
Und er fuhr fort, uns die Eigentümlichkeiten fast aller Fische zu erzählen, auf die wir eines Tages hätten stoßen können. Das gehörte zum Pensum des Kursus und erwies sich später als vollkommen platonisches Wissen, denn natürlich hatten sich die Fische von den Tauch-Eleven längst zurückgezogen. Meine Frau hörte dieser ichthyologischen Schnellaufklärung mit schweigender Erbitterung zu, und nach Luagis Vortrag stellte sie fest: »Da wollt ihr ein sogenanntes Paradies erobern, und was macht ihr? Ihr nehmt eure Harpunen mit und ballert los. Allenfalls laßt ihr euch nachher noch mit der Beute photographieren. Und dann? Auch im Körper der Fische sind die Elemente Natrium, Kalium und Kalzium enthalten. Das sollte euch doch zu denken geben. Wenn ihr die Fische eßt – gut. Aber wenn ihr nur Zielübungen machen wollt: es gibt so viele Leute unter Wasser, die sich dafür eignen. Bring mir doch mal einen durchwachsenen jungen Mann.«
Insgeheim mußte ich ihr recht geben, doch da die Krönung des Tauchsports in der Jagd auf den Fisch liegt – zumindest glaubte ich das damals –, suchte ich meiner Frau zu beweisen, daß die Unterwasserjagd vieles für sich habe und daß man durchaus obligate Risiken laufen kann.Nach allen Vorstufen wollte ich mich nicht um den Inbegriff des Abenteuers bringen lassen. Ich wollte lernen, dem Fisch in jedem Fall nachzustellen. Ich hatte genug erfahren, und unter den mißbilligenden Blicken meiner Frau nahm ich Flossen, Maske und Harpune und zog los, um das Königsgefühl des Tauchsports zu erleben.
Ich kletterte auf einen mit Brandungsschaum bedeckten Felsen, legte die Ausrüstung an und ließ mich langsam ins Wasser. Die Wellen stießen mich hin und her, schubsten mich gegen einen Felsen, manchmal warfen sie mich in einen Wirbel von Luftblasen und Schaum. Es war nicht leicht, Luft zu bekommen, doch als ich endlich Luft hatte, tauchte ich mit gespannter Federharpune und strich neben den Felsen zu einer Bucht hinüber.
Über dem Grund war das Wasser ruhiger. Ich sah kleine, fingerlange Fische, die nervös hin und her zuckten; ich sah mitunter auch einen Schatten, der, als ich näher kam, in einer Felsspalte
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