Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
dass er unschuldig war. Aber das spielte keine Rolle. John hatte noch etwas anderes, das er ihm vorhalten konnte.
Er weiß Bescheid … Karens Worte von letzter Nacht kamen Cain in den Sinn. Zumindest war er dieses Mal tatsächlich des Vergehens schuldig, das John ihm vorwarf.
Cain wandte der gesamten Gemeinde den Rücken zu, ging hinaus und hängte seine Krawatte an einen Zweig, als er den Pfad zum Parkplatz hinunterging. Er brauchte John Wyatt nicht oder Owen oder Robert oder Marshall. Er brauchte niemanden. Nicht einmal Sheridan.
Sheridan schon gar nicht. Denn sie bedrohte ihn in einem Maße, in dem es niemand sonst vermochte.
Karen starrte sich im Spiegel an. Sie hasste es, Amys Beerdigung fernbleiben zu müssen, aber so wie sie aussah, konnte sie unmöglich hingehen. John hatte so kräftig zugeschlagen, dass ein blauer Fleck auf ihrer Wange prangte und ihre Augen rot und verquollen waren. Jeder, der sie sah, würde sofort wissen wollen, was los war. Und die bloße Frage schon würde sie zum Weinen bringen. Darum konnte sie auch nicht zur Schule gehen. Sie hatte sich krankgemeldet.
Sie nahm das letzte Taschentuch, putzte sich zum zigsten Mal die Nase und wandte sich von dem Anblick ihres fleckigen Gesichts ab. Was würde als Nächstes geschehen? Sie hatte Angst, es herauszufinden. Sie wollte zu gerne glauben, dass John wieder zu Sinnen kommen und ihr vergeben würde, aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das nicht passieren würde. Ihr Geständnis hatte das Band, das zwischen ihnen bestanden hatte, durchtrennt. Sie hatte eine Seite von ihm gesehen, von deren Existenz sie nichts gewusst hatte, und war sich nicht mehr sicher, ob er wirklich der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte. Selbst wenn sie sich wieder zusammenraufen würden, würde es nicht lange gut gehen. Cain machte ihn einfach vollkommen verrückt. John würde aus der kleinsten Kleinigkeit etwas herauslesen und weit mehr in ihre Beziehung zu Cain hineininterpretieren, als drin war. Jedes Mal, wenn er sich über sie ärgerte, würde er ihr ihren alten Fehltritt vorhalten. Das Wissen darum würde ihn innerlich auffressen, bis die Geringschätzung, die er ihr gestern entgegengebracht hatte, erneut an die Oberfläche kommen würde.
Sie konnte nicht erwarten, dass sie einfach dort weitermachten, wo sie aufgehört hatten. Aber sie musste zumindest versuchen, mit ihm zu reden, bevor er ihren Ruf ruinierte. Sie bezweifelte, dass irgendein Staatsanwalt nach so vielen Jahren noch Anklage gegen sie erheben würde, aber wenn John irgendjemandem davon erzählte, würde sie nie wieder erhobenen Hauptes durch Whiterock gehen können. Der Schulausschuss würde sie nicht länger unterrichten lassen. Und sobald die Geschichte erst einmal heraus war, würde sie vermutlich auch an keiner anderen Schule je wieder einen Job bekommen. Die Uhr war fast zwei. Inzwischen müsste John von der Beerdigung zurück sein. Sie schnappte sich ihre Tasche, wischte sich ein letztes Mal übers Gesicht und verließ das Haus.
So ungehalten Sheridan auch über Skyes Reaktion auf Cain gewesen war, so schwer fiel es ihr jetzt, ihre Freundin ziehen zu lassen.
„Dir wird ohne mich in Whiterock nichts passieren, nicht wahr, Sher?“ Skye sah ihrer Freundin fest in die Augen, während sie ihre Taschen ausluden.
„Natürlich nicht!“, erwiderte Sheridan überzeugender, als ihr zumute war. Denn sie war sich nicht so sicher. Sie waren getrennt gefahren, damit Skye ihren Mietwagen am Flughafen zurückgeben konnte und Sheridan mit ihrem eigenen Wagen zurückfahren konnte. Auf dem Weg hatten sie einen Handyladen entdeckt, sodass sie jetzt auch ein neues Ladegerät besaß. Außerdem hatte sie die Pistole. Skye hatte darauf bestanden, dass sie sie behielt, und sie lag immer noch unter dem Sofakissen versteckt. Und was noch besser war, Sheridan war stärker und klüger geworden.
Trotzdem hatte sie jede Menge Bedenken. War es nicht naiv von ihr, noch länger zu bleiben? Glaubte sie tatsächlich, sie könnte ein Verbrechen aufklären, bei dem es keine echten Spuren gab?
„Sheridan?“ Skye neigte den Kopf, um ihr ins Gesicht zu schauen.
Sheridan blinzelte. „Was ist?“
„Überlegst du es dir gerade noch einmal anders? Wenn ja, komme ich gerne mit dir nach Whiterock zurück und helfe dir beim Packen.“
„Ich denke gerade noch einmal darüber nach“, gab sie zu.
„Aber … ich glaube nicht, dass ich vor dem davonlaufen kann, was geschehen ist. Sobald ich zu Hause wäre,
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