Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
aus falschen Perlen und Riemchensandalen. Die Schuhe waren viel zu hoch, um bequem zu sein, aber es waren die besten gewesen, die sie hatte finden können.
„Und? Fällt dir irgendetwas Ungewöhnliches auf?“, fragte Skye jetzt.
„Nichts Besonderes.“
„Erzähl mir, wer die Leute sind. Die einzige Person, von der ich mit Sicherheit weiß, wer sie ist, ist die arme Frau im Sarg.“
„Siehst du den Mann mit dem Tweedjackett und der blauen Krawatte? Das ist Cains Stiefvater, John Wyatt. Tiger kennst du bereits, und Pastor Wayne hat uns vorhin schon begrüßt.“
„Ich erinnere mich. Er ist derjenige, der sagte, er hätte ein Gästezimmer für dich frei, falls du eines brauchst.“
Sheridan verdrehte die Augen. „Du hast dich mit meinen Eltern gegen mich verschworen.“
Lachend erwiderte Skye: „Freust du dich nicht, dass ich an ihrer statt bei Cain aufgetaucht bin?“
Sheridan knuffte sie. „Musst du das unbedingt erwähnen?“
„Das ist es doch, was Freunde tun. Ich werde dich für den Rest deines Lebens damit aufziehen.“
„Gut zu wissen.“
„Cains Stiefvater hat sich aber ziemlich gut gehalten.“
„Stimmt. Seine silbrigen Schläfen gefallen mir.“
„Wie alt ist er?“
„Vierundfünfzig oder so. Die Frau, die er heiraten will, ist eine ganze Ecke jünger.“
„Deine ehemalige Englischlehrerin?“
„Richtig.“
„Wo ist sie?“
Sheridan konnte Karen Stevens nirgends entdecken. „Ich weiß nicht. Aber sie sieht auch gut aus.“
Sie verfielen in Schweigen, während sie darauf warteten, dass der Gottesdienst begann. Die Tür öffnete und schloss sich mehrmals, aber Cain kam nicht. Sheridan erspähte Owen und seine Frau in der Menge. Marshall war bei ihm, und Robert saß in derselben Bank. Trotz seiner Krawatte, die nicht lang genug war, um über seinen vorgewölbten Bauch zu reichen, sah er schlampig aus. Der Polizeibeamte, der sie auf dem Polizeirevier befragt hatte, saß auf der anderen Seite des Ganges, und sie erkannte mehrere Leute, von denen sie die meisten mehr als ein Jahrzehnt nicht gesehen hatte. Viele von ihnen lächelten oder winkten, doch die Stimmung war so gedämpft, wie es einer Beerdigung angemessen war.
„Was für eine Tragödie!“, sagte die ältere Dame zu ihrer Rechten flüsternd zu dem Mann neben ihr. „Was ist nur aus der Welt geworden?“
„Es ist ziemlich heiß hier drin“, beklagte sich Skye und übertönte die Antwort des Mannes. „Wollen die nicht langsam mal anfangen? Wenn das in dem Tempo weitergeht, verpasse ich noch mein Flugzeug.“
Sheridan ließ den Blick über die Blumenarrangements gleiten, als die Dame an der Orgel eine weitere Hymne anstimmte. „Du fliegst doch erst in drei Stunden.“
„Eben!“
Fünfzehn Minuten später war der Duft der Nelken so drückend geworden, dass Sheridan unwillkürlich an Jasons Beerdigung denken musste. Damals hatte es genauso gerochen. Fünf Minuten später benutzten die Leute ihr Programme als Fächer, aber zumindest hatte der Gottesdienst angefangen. Pastor Wayne hatte ein angemessen kummervolles Gesicht aufgesetzt, als er das Mikrofon auf dem Podium justierte und darauf wartete, dass die Gemeinde zur Ruhe kam.
In dem Moment, in dem er die Gebete beendet hatte, wurde die Tür erneut geöffnet, und ehe Sheridan auch nur hingesehen hatte, wusste sie, dass es Cain war. Sie hörte das Stimmengemurmel und wusste, dass viele Leute darüber spekuliert hatten, ob er die Stirn haben würde, hier aufzukreuzen.
Wütend musterte Sheridan die Trauergäste, die sich umdrehten, um ihn anzustarren. Cain jedoch schien die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde, nicht zu kümmern. Zweifelsohne hatte er so etwas erwartet. Sie hatte gehört, wie Ned gegen Cain hetzte, als sie mit Skye in die Kirche gekommen war. Cain solle besser aufpassen, denn eines Tages würde er ihn noch ins Gefängnis bringen.
Solches Gerede gab Ned das Gefühl, er würde etwas wegen des Todes seiner Schwester unternehmen, aber Sheridan verriet es vor allem, dass er keine brauchbaren Spuren hatte. Andernfalls würde er sich nicht mit leeren Drohungen begnügen müssen.
Sie fragte sich, was Ned davon halten würde, wenn Cain ihm erzählte, dass Tiger in der Nacht, in der sie angegriffen worden war, dreimal an ihrem Haus vorbeigefahren war. Tiger war vermutlich der einzige Mensch, der gewusst hatte, wo Amy steckte, als sie erschossen wurde – weil er ihr bereits zuvor dorthin gefolgt war. Und er hatte einen Grund, wütend zu sein, weil Sheridan
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