Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
Vergangenheit zuwandten, auch wenn sie sich nicht unbedingt gern daran erinnerte.
„Hunde. Die hast du schon immer geliebt, war es nicht so? Tiere?“ Sein Herz hatte er den Tieren geschenkt, aber bei seinem Körper sah die Sache ganz anders aus. Er hatte schon früh angefangen, mit den Mädchen …
Trotzdem … Sheridan hatte nicht vergessen, wie zärtlich er an jenem Abend im Wohnmobil gewesen war, wie liebevoll. Obwohl er bereits siebzehn gewesen war, achtzehn Monate älter als sie, hatte er sich bei der Begegnung, die für sie bestenfalls peinlich, schlimmstenfalls schmerzlich gewesen war, nicht wie ein Draufgänger verhalten.
Merkwürdig, dass sie sich so deutlich daran erinnern konnte, wie angestrengt er versucht hatte, sich zurückzuhalten, obwohl ihr im Moment kaum mehr als der eigene Name einfiel.
„Dafür, dass wir uns kaum kannten, erinnerst du dich an mehr über mich, als ich erwartet hätte.“ Cains Stimme klang so abgehackt, und seine Körpersprache drückte so viel Gleichgültigkeit aus, dass sie annahm, er hätte die wenigen Minuten im Wohnmobil längst vergessen. Oder dass die Erinnerung ihm nichts bedeutete.
Wahrscheinlich war Letzteres der Fall. Er hatte mit einer Menge Mädchen geschlafen. Was waren da schon dreißig Minuten mit einer naiven kleinen Jungfrau?
„Ich denke, es gibt ein paar Dinge, die eine Frau niemals vergisst“, sagte sie. Die Worte waren – wie die Erinnerung -voll bitterer Süße.
Sie sah etwas in seinen Augen aufblitzen, etwas, das ihr zu zeigen schien, dass er sich genauso gut wie sie an jedes Detail erinnerte. Aber sie weigerte sich, genauer darüber nachzudenken. Offensichtlich hatte er sich nicht verändert. Warum war er überhaupt in ihrem Krankenzimmer? Ned hatte gesagt, dass sie eine Woche lang bewusstlos gewesen war. Was könnte Cain Granger von ihr wollen, um so lange hier auszuharren?
„Ich hoffe, Einzelheiten des Angriffs gehören auch dazu“, sagte Ned und lenkte das Gespräch unbeirrbar wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Wir müssen den Kerl finden, der dir das angetan hat.“
Sheridan ballte die Hände zu Fäusten. „Warum ist mir das passiert?“, fragte sie. „Warum schon wieder ich?“
„Das wüsste ich auch gerne“, erwiderte er. „Die einzige Antwort, die ich habe, ist, dass es einige Verbindungen zu dem Mord an Jason gibt.“ Er redete weiter, aber was er sagte, hatte keine Bedeutung für sie. Sie konnte den Gedanken an das, was mit Jason geschehen war, nicht ertragen, nicht in Verknüpfung mit dem erneuten Überfall. Jedes Mal, wenn sie seinen Namen hörte, zuckte sie zusammen. Die Erinnerung daran war immer schmerzvoll, aber jetzt fühlte sie sich dadurch emotional überwältigt, wie sie es nie zuvor erlebt hatte.
Instinktiv presste sie ihr Gesicht ins Kissen, versuchte, Neds Worten auszuweichen, versuchte, jeden Gedanken an Jason zu vermeiden, aber er redete weiter und sagte Dinge, die sie nicht hören wollte. Geh weg! Sie sah sich mit so vielen Fragen konfrontiert, Fragen, die ihr das Gefühl gaben, jede Orientierung verloren zu haben.
Sie brauchte einen Rettungsanker – blickte auf und sah Cain.
„Was immer hier vor sich geht, hat seine Wurzeln in der Vergangenheit“, sagte er, als ihre Blicke sich trafen. Er hatte gesprochen, ohne auf den immer noch plappernden Ned zu achten, und auch Sheridan kümmerte sich nicht um ihn. Sie musste Ned und sein anmaßendes Verhalten ausblenden.
„Ich wünschte, ich könnte dir mehr erzählen“, fuhr Cain fort. „Aber das ist alles, was wir wissen. Jemand glaubt, dass du ihn bloßstellen könntest – oder er war von Anfang an hinter dir her.“
„Aber ich kenne niemanden, der mir etwas antun will. Was kann ich getan haben?“
„Bei manchen Menschen braucht man gar nichts zu tun.“
Endlich war Ned verstummt und warf Sheridan einen missmutigen Blick zu, weil sie zugelassen hatte, dass Cain ihm die Show stahl. Doch in diesem Moment lag ihr herzlich wenig daran, sich für ihre mangelnde Höflichkeit zu entschuldigen oder sich darum Sorgen zu machen.
„Es hat keine Warnung gegeben“, sagte sie benommen. „Nichts hat mich alarmiert. Ich hatte keine Ahnung, dass ich in Gefahr bin. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich meinen Koffer packte, um nach Whiterock zu fahren.“
„Ich schätze, du warst vor dem Überfall nicht lange in der Stadt“, sagte Cain. „Wo hast du gewohnt?“
„Vermutlich im Haus meines Onkels“, erwiderte sie, während Ned zur
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