Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
wenn sie sie in ihre Handtasche gesteckt hätte, hätte sie jetzt nichts davon. Denn die Tasche lag im Mietwagen, mit dem Cain unterwegs war.
Unglücklicherweise hatte sie keine Schuhe an. Ihre Fußsohlen protestierten jedes Mal vor Schmerz, sobald sie auf einen Kiefernzapfen, einen spitzen Zweig oder Stein trat, wodurch sie nicht besonders schnell vorankam.
Sie konnte Owen durch die Bäume hasten hören. Er war schneller als erwartet. Und aus Erfahrung wusste sie, dass er kräftiger war, als er aussah.
Ihre Lungen brannten wie Feuer. Sie ignorierte den Schmerz in ihren Füßen und wich bald nach rechts, bald nach links aus und bahnte sich ihren Weg zu Cains neuem Haus. Er war ihre einzige Hoffnung. Sie konnte Owen nicht ewig entkommen. Sie war noch nicht wieder vollständig bei Kräften.
„Bleib stehen! Lass mich dir alles erklären!“, rief er hinter ihr her.
Erklären, warum er eine blutüberströmte Leiche in seinem Truck hatte? Zum Teufel, nein! Sie rannte weiter.
Auch er war bereits außer Atem. „Ich habe dir … nichts getan … als ich dir die Suppe … gegeben habe … oder?“
Weil sie wieder hinreichend genesen war, sodass es ein bisschen zu offensichtlich gewesen wäre, wenn sie in seiner Obhut gestorben wäre. Owen war nicht so dumm, sich selbst ans Messer zu liefern. Er hatte den richtigen Augenblick abgewartet, eine bessere Gelegenheit.
„Sheridan?“, keuchte er. „Muss ich … eine … andere Taktik … anwenden?“
Cains Haus war zu weit entfernt. Sie würde es nicht schaffen.
„Hörst du … mir zu? Ich … werde Cain … töten!“, drohte er.
Er war dazu fähig, daran zweifelte sie keine Sekunde. Aber in diesem Augenblick war es nicht Cains Leben, das auf dem Spiel stand.
„Es wird … ganz einfach. Ich muss nur … anklopfen … die Waffe ziehen … und schießen.“
Sheridan zitterte bei dem Szenario, das Owen beschwor. Aber woher sollte sie wissen, dass er es nicht ohnehin tun würde? Er hatte bereits bewiesen, dass er kein Gewissen besaß.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Das, was sie noch vom Boden sehen konnte, verschwamm, doch sie zwang sich weiterzurennen. Aus Angst, dass er Cain umbringen würde, wenn sie ihn zu ihm führte, lief sie jetzt von beiden Hütten fort, tauchte so tief in den Wald ein, dass der Baldachin aus Kiefern hoch über ihrem Kopf das Sternenlicht vollkommen abfing. Sie konnte nicht länger irgendwelche Hindernisse auf ihrem Weg erkennen. Zweige schlugen gegen ihre Kleider und zerkratzten ihr Gesicht und erinnerten sie an das blanke Entsetzen, das sie erst vor Kurzem in eben diesem Wald verspürt hatte – Entsetzen und Schmerz, den sie wegen des Mannes erlitten hatte, der sie jetzt wieder jagte.
Schon bald fühlten ihre Beine sich bleischwer an. Sie konnte sie kaum noch anheben. So würde sie hier nicht lebend wieder rauskommen. Sie musste etwas anderes tun, sich irgendetwas einfallen lassen, um ihm zu entkommen.
Sie bückte sich und schnappte sich, was immer ihre Hände zu fassen bekamen – Dreck und Steine und Blätter –, und schleuderte alles nach links. Dann bog sie sofort nach rechts ab und kauerte sich hinter einem breiten Baumstamm zusammen.
Owen war immer noch hinter ihr her. Sie hörte seine Schritte näher kommen und kniff die Augen zusammen, während sie versuchte, das Geräusch ihres eigenen heftigen Atems zu unterdrücken.
Bitte Gott, hilf mir…
Er wurde langsamer und blieb dann stehen. Sie stellte sich vor, wie er lauschte und zu entscheiden versuchte, welche Richtung er einschlagen sollte. Aber er fiel nicht auf ihre List herein. Er begann sich durch das Unterholz in der Nähe zu kämpfen, ertastete sich seinen Weg …
Sheridan war versucht, sich zu bewegen. Er war zu nahe. Ihre Angst beharrte darauf, dass er sie finden würde, wenn sie blieb, und brachte ihr in Erinnerung, was er letztes Mal mit ihr gemacht hatte. Das Holzstück … die Grabgeräusche der Schaufel … der Regen.
Aber sosehr sie auch fortkriechen wollte, die Dunkelheit war ihr einziger Schutz. Dunkelheit und Stille. Sie durfte sich nicht bewegen, durfte keinen Ton von sich geben.
„Sheridan …“ Er versuchte, zu Atem zu kommen. „Mach keinen Scheiß! Das kann doch wohl nicht so schwer sein.“
Sie grub ihre Zähne in die Unterlippe. Er war so nahe, kaum zwei Schritte entfernt! Konnte er sie sehen? Es fühlte sich so an.
„Wenn du nicht auf der Stelle herauskommst, muss ich Cain umbringen, und das will ich nicht. Im Gegensatz zum Rest meiner
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