Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
nichts. Owen war im selben Haus aufgewachsen, aber er hatte Cains Gedanken, Gefühle oder Handlungen nie verstanden. Und wahrscheinlich würde er es auch nie verstehen.
Cain sagte sich, er solle sich nichts daraus machen, wenn Owen ihm für den Bruch mit John die Schuld gab. Es war immer das Gleiche, und dies war nur eine weitere Mahnung, dass er sich vom Rest der Familie unterschied und nicht dazugehörte.
„Gut“, nickte er. „Ich werde kein Wort zu Dad oder sonst jemandem sagen. Zumindest noch nicht.“
Owen konnte seine Überraschung nicht ganz verbergen. „Du hältst den Mund?“
„Wenn du mir den Grund dafür nennst.“
Owen verlagerte sein Gewicht. Offensichtlich fühlte er sich unbehaglich. „Den Grund wofür?“
„Du hast Angst. Es geht um mehr als nur um das Foto.“
Jetzt, wo das Licht aus war, lag Owens Gesicht im Schatten, aber Cain wusste, dass er sich fürchtete, weil er so steif dastand. „Es geht um nichts anderes.“
„Was verschweigst du mir?“
„Nichts. Robert war zu jung.“
„Für die Schüsse, aber nicht für den Angriff auf Sheridan. Wie passt die Schießerei dazu? Das ist es, was dir wirklich Sorgen macht, stimmt’s? Du hast eine Verbindung gefunden. Und jetzt hast du Angst, die Familie auseinanderzureißen.“
Keine Antwort.
„Wie passt die Schießerei dazu?“ Und dann fiel es ihm ein. „Woher kam Baileys Gewehr?“, fragte er und senkte die Stimme.
„Ich weiß es nicht.“
„Doch, du weiß es.“
Owen nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Es war eine schützende Bewegung, der Versuch, Zeit zu gewinnen, aber Cain würde sich nicht länger hinhalten lassen.
„Sag es mir, verdammt noch mal!“, brüllte er. „Ich will die Wahrheit wissen!“
Owen stieß einen langen Seufzer aus und setzte die Brille wieder auf. „Ich habe es in Roberts Kofferraum gefunden.“
„Was hattest du an Roberts Kofferraum zu schaffen?“
„Ich habe nach einem Starthilfekabel gesucht. Lucys Wagen sprang nicht an, und ich konnte mich nicht erinnern, wo ich meines gelassen hatte.“
„Aber das war, bevor die ballistischen Untersuchungen ergaben, dass Jason damit umgebracht worden war.“
„Es musste aus einem bestimmten Grund gestohlen worden sein. Und als ich das Gewehr in Roberts Auto fand, bekam ich Angst, was für ein Grund das sein könnte.“
18. KAPITEL
Das Treffen von Cain und Owen schien ewig zu dauern.
Sheridan versuchte, die neugierigen Blicke der anderen Gäste im Diner zu ignorieren. Manche schienen sich zwar an sie zu erinnern, kannten sie aber nicht gut genug, um sie zu grüßen. Sie beobachtete die Uhr. Zwanzig Minuten verstrichen, dreißig, vierzig.
Obwohl es spät wurde und die Läden am Sonntag früh schlossen, beschloss sie, rauszugehen und einen Schaufensterbummel in der Main Street zu machen, um die Zeit totzuschlagen. Aber dann kam Cains Stiefvater mit Mrs Stevens herein, ihrer Lehrerin für amerikanische Literatur an der Highschool, und das versprach, eine interessante Ablenkung zu werden. Sie wusste, dass sie kurz nach dem Tod von Cains Mutter schon einmal zusammen gewesen waren, aber sie hatte gedacht, sie hätten sich wieder getrennt. Doch offensichtlich waren sie ein Paar, denn John hielt ihre Hand.
Zuerst bemerkten sie Sheridan gar nicht. Sie unterhielten sie viel zu angeregt. Aber dann suchten sie nach einem Tisch und entdeckten sie beinahe sofort.
Karen Stevens war ihre Lieblingslehrerin gewesen. Sheridan lächelte erwartungsvoll, doch als ihre Blicke sich trafen, wandte Mrs Stevens sich ab. Es wirkte sogar so, als wollte sie Cains Stiefvater ablenken, indem sie auf einen leeren Tisch an der anderen Seite des Restaurants deutete. Aber John Wyatt sagte etwas zu ihr und führte sie dann herüber.
„Wie geht es dir?“, fragte er Sheridan. Er musterte sie mit traurigem, besorgtem Blick.
Sie erinnerte sich, dass er sie besucht hatte, als sie sich vor zwölf Jahren von der Schussverletzung erholte. Damals hatte er verhärmt ausgesehen. Mit rotgeränderten Augen hatte er sie geradeheraus gefragt, was geschehen war. Er musste die Ereignisse aus ihrem Mund hören, um das Unfassbare glauben zu können. Er musste zumindest versuchen, die Aufklärung zu bekommen, nach der er sich sehnte. Bei all dem brachte er ihr Mitgefühl für ihr eigenes Leid entgegen. Schicksalsergeben und demütig hatte er sich angehört, was sie zu sagen hatte, ohne sie dafür zu tadeln, dass sie ihm nicht mehr erzählen konnte – oder dafür, dass sie Jason
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