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Watch Me - Blutige Spur (German Edition)

Watch Me - Blutige Spur (German Edition)

Titel: Watch Me - Blutige Spur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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überhaupt überredet hatte, mit ihr zum Rocky Point zu fahren. Sie war ihm zutiefst dankbar dafür gewesen, denn es fiel ihr schwer, sich selbst nicht deswegen schuldig zu fühlen.
    Sie hätte John Wyatt mögen können, wenn sie nur nicht das Gefühl hätte, Cain gegen ihn verteidigen zu müssen. Er hatte Cain schon immer anders behandelt als seine eigenen Jungs, und das störte sie. Es hatte sie schon damals in der Highschool gestört.
    „Es geht mir schon wieder besser“, sagte sie.
    „Freut mich zu hören. Es tut mir leid, was du durchmachen musstest. Das ist nicht fair.“
    „Leider werden Menschen häufiger zu Opfern, als jeder von uns gerne glauben würde.“
    „Ganz bestimmt.“
    „Hallo, john!“
    Cains Vater wandte sich ab, um mit einem Herrn zu sprechen, den Sheridan nicht kannte. Sie hörte den Mann fragen, ob John bereit sei, ein paar Worte auf Amys Beerdigung zu sagen – anstelle ihres Vaters, der vor fünf Jahren gestorben war. John stimmte bereitwillig zu. Sheridan erwartete, dass Mrs Stevens sich auf die andere Unterhaltung konzentrieren und sie weiterhin ignorieren würde. John hatte sie offensichtlich ganz vergessen. Doch ihre ehemalige Lehrerin schien ihre frühere Haltung zu überdenken.
    „Wohnen Sie immer noch bei Cain?“, fragte sie.
    „Fürs Erste.“
    Mrs Stevens warf einen Blick über ihre Schulter. Sie schien sich zu vergewissern, ob John ganz von der Unterhaltung in Anspruch genommen war, und senkte die Stimme. „Er scheint sich ja gut um Sie zu kümmern.“
    Sheridan fand die Bemerkung merkwürdig, wusste aber nicht, warum. Mrs Stevens hatte Cain immer gemocht. Als er an der Highschool war, hatte sie sich besonders für ihn interessiert, wahrscheinlich hatte sie gehofft, ihm das ersetzen zu können, woran es ihm zu Hause mangelte.
    „Das tut er“, sagte Sheridan. „Er ist ein sehr freundlicher Mensch.“
    „Ich weiß.“ Mrs Stevens Lächeln wurde traurig. „Wo ist er?
    „Er hat mich vor einer Weile hier abgesetzt, um ein paar Erledigungen zu machen.“
    „Verstehe.“
    Danach dehnte sich die Stille so lang zwischen ihnen aus, dass es langsam peinlich wurde. Sheridan machte den Versuch, etwas Small Talk zu betreiben. „Unterrichten Sie immer noch?“
    „Ja. Inzwischen leite ich sogar den Fachbereich Englisch.“ Sie lachte. „Das hat allerdings nicht viel zu bedeuten, da der Bereich nur aus Mr Burns und mir besteht.“
    „Das hält Sie bestimmt auf Trab.“
    „Es ist ein gutes Leben. Inzwischen weiß ich das. Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, nach Whiterock zurückzukommen.“
    Sheridan hatte gar nicht gewusst, dass sie jemals fort gewesen war. „Wo waren Sie?“
    „In New York – fast zehn Jahre lang.“
    „Was hat Sie dorthin geführt?“
    „Ich brauchte eine Pause. Die Stadt ist so klein, dass jeder jeden kennt. Ich fühlte mich eingeengt und wollte es mal mit einer Großstadt versuchen.“
    „Hat es Ihnen dort nicht gefallen?“
    „Es hat seine guten Seiten, aber vor allem hat mich die Zeit dort gelehrt, das zu schätzen, was ich hier habe.“
    Sheridan hatte Whiterock ebenfalls vermisst. Aber sie hatte sich so sehr darauf konzentriert, vor der Vergangenheit davonzulaufen und sich nicht die Schuld dafür zu geben, Jason zur falschen Zeit an den falschen Ort gebracht zu haben, dass sie nur selten zurückgeblickt hatte. Man hatte ihr geraten, nicht einmal an ihre Heimatstadt zu denken. Erst jetzt begriff sie, wie sehr sie das Leben, das sie hier geführt hatte, vermisst hatte.
    Die Wut auf den Mann, der auf sie geschossen und sie verprügelt hatte – wenn es sich tatsächlich um ein und dieselbe Person handelte –, überwältigte sie beinahe. Hin und wieder brachen diese Gefühle ohne Vorwarnung über sie herein. In einem Moment ging es ihr gut, und im nächsten war sie erfüllt von Zorn. Sie versuchte, dagegen anzukämpfen, indem sie sich sagte, dass sie nicht die Einzige sei. Überall erlebten Opfer denselben hilflosen vergeblichen Ärger. Zumindest tat sie, was sie konnte, um ihre Wut in etwas Konstruktives zu verwandeln. Möglicherweise könnte sie ihren Klienten nicht dieses Maß an Mitgefühl entgegenbringen, wenn sie nicht ein ähnliches Martyrium durchgemacht hätte.
    „Ich kann verstehen, dass es Ihnen hier gefällt“, sagte Sheridan.
    Mrs Stevens spielte mit dem Riemen ihrer Handtasche herum. „Bleiben Sie länger hier, Sheridan? Oder wollen Sie zurück nach Kalifornien? John erzählte mir, dass Sie eine Hilfsorganisation zur

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