Watermind
Gott«, flüsterte sie. »Ist mit dir alles in Ordnung, Max? Hast du dich von einem Arzt untersuchen lassen?«
»Ja, lamie. Mach dir keine Sorgen.«
Das Telefon fühlte sich in ihrer Hand schweißnass an. Die Sache hatte sich gar nicht gut entwickelt. Der verdammte Roman Sacony mit seinen Wasserflugzeugen und künstlichen Dämmen. Dafür war nur er verantwortlich.
»Sie wollen bestimmt Rache. Sie werden das Kolloid auf jeden Fall töten.«
»Töten oder getötet werden«, erwiderte Max.
Dazu konnte CJ nichts sagen. Noch ein Toter. Nach den Symptomen, die Max beschrieben hatte, vermutete sie, dass das Kolloid ein Nervengas synthetisiert hatte, aber woher kannte es sich so gut mit dem menschlichen Nervensystem aus? Dann erinnerte sie sich an die eisigen Finger, die ihren Körper erkundet hatten.
Ihr Boot trieb auf eine Boje zu, und sie warf den Motor an, um ihr auszuweichen. Sie wollte nicht über den toten Hubschrauberpiloten nachdenken. Ihr Wunderkind hatte wieder getötet. In der Hitze des Flusses erschauderte sie.
»Max, du musst dafür sorgen, dass sie es verstehen. Wir dürfen das Kolloid nicht nach menschlichen Maßstäben beurteilen. Es weiß nicht, dass wir intelligente Lebewesen sind, solange wir keine Möglichkeit gefunden haben, mit ihm zu kommunizieren.«
»Lamie, warum liegt dir so viel an dieser Teufelsmilch?«
Max hatte ihr diese Frage schon einmal gestellt, und sie hatte versucht, sie ihm zu beantworten. Doch ihre Beweggründe kamen ihr immer noch sehr durchmischt und vielfältig vor, genauso wie der braune Fluss. »Es lebt«, sagte sie. »Ich will die Ursache dieses Wunders herausfinden.«
»Wissenschaft«, sagte Max niedergeschlagen.
Seine Wortwahl überraschte sie. Ihre Finger spielten mit dem Saum ihres Baumwoll-T-Shirts. »Was fasziniert dich so sehr an Musik?«, fragte sie zurück. »Geld kann es nicht sein. Warum schreibst du Songs?«
Max brauchte eine Weile, um zu antworten. »Musik ist für mich wie Atmen.«
»Aha.« Sie lachte.
»Aber Musik versprüht keine Mechan -Dämpfe.«
»Richtig«, sagte sie, »aber vielleicht rettet uns die Musik. Ich spiele gerade deine Anfängerlektionen ab. Ich hoffe, es hört zu.«
74
Donnerstag, 17. März, 22.10 Uhr
Peter Vaarveen arbeitete ruhig in seinem Feldlabor in der Kombüse der Chasseur. Er untersuchte gerade einen Tropfen Algenproplastid. Als das Bild im Mikroskop verschwamm, nahm er die Brille ab und rieb sich die tränenden Augen. Vor einer Stunde war Li Qin Yue in den Nahtodzustand gefallen und schleunigst ins Krankenhaus abtransportiert worden, und seitdem hatte auch Peter am ganzen Körper gezittert und Schleim ausgehustet. Er war sich nicht sicher, ob seine Muskel Zuckungen vom Giftgas oder einer zunehmenden Verbitterung gegenüber allem, was mit Quimicron zu tun hatte, herrührten.
Er konzentrierte sich wieder auf den Pflanzensafttropfen, wählte dann eine Algenzelle aus und vergrößerte ein Stück ihrer Ribonukleinsäure, der RNS. Wie eine winzige Speicherkarte enthielt dieses Molekül den Code für den Aufbau eines bestimmten Proteins. Nur dass der Speicherinhalt gelöscht und überschrieben worden war und nun die Anleitung für eine beschleunigte Photosynthese darstellte. Peter beobachtete fasziniert, wie die versklavte Alge mit atemberaubendem Tempo Zucker aus Sonnenlicht erzeugte.
Allein mit dem Mikroskop, wurde der Biochemiker immer ruhiger. Er hatte sich von Anfang an gefragt, wie das Kolloid die gewaltigen Energiemengen produzierte, die es benötigte, um so schnell seinen Zustand zu ändern. Ein paar Photovoltaikzellen konnten es unmöglich schaffen. Yue hatte entdeckt, dass in den Freon-Mikroblasen Wärme gespeichert wurde. Und nun entdeckte er, dass Sonnenenergie in Form von Zucker gespeichert wurde. Das Kolloid schien zu abwechslungsreichen Lösungen zu neigen.
Das war der unheimlichste Aspekt, die erstaunliche Vielfältigkeit des Kolloids. Die verdammte Flüssigkeit setzte die unterschiedlichsten Möglichkeiten ein, um jede denkbare Technologie, auf die es zufällig stieß – sei sie natürlicher Herkunft oder von Menschen gemacht –, zu assimilieren und ausnutzen. »Wie ein verdammter globaler Konzern«, murmelte Peter glucksend.
Trotzdem brauchten selbst die fortgeschrittensten neuronalen Netze Zeit und Erfahrung, um intelligenter zu werden. Lebende Organismen mutierten sehr langsam im Laufe von Jahrtausenden. Dieses Hybridkolloid dagegen hatte seine Evolution auf Warp 9 beschleunigt.
»Was seid ihr bloß
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