Watermind
Diese Tatsache erleichterte es CJ, unbemerkt anzulegen.
Statt an einer baumlosen Steinschüttung festzumachen, ließ sie das Boot unter ein paar Trauerweiden hindurchgleiten und zwischen grünen Ästen auf schlammigem Grund auffahren. Nachdem sie es an einem Baumstamm vertäut hatte, zog sie den Schutzanzug und die Hüftstiefel an und stapfte dann durch den Sumpf zu einem hohen festen Hügel hinauf, wo sie es sich gemütlich machte, um die Aktivitäten am Kanal zu beobachten.
Sie lag flach im Gras und beobachtete die zerstörten Kanalufer durch ihr Fernglas. Die abgesunkenen Stellen schimmerten wie geschmolzenes Glas. Viermal versuchte sie Max zu erreichen, bis er endlich zurückrief. Rory hatte seinen Aufräumtrupp beauftragt, einen anderen unterspülten Abschnitt in der Nähe des Quimicron-Kais abzustützen. Er rief sie vom mobilen Männerklo mit seinem Handy an.
»Gestern Nachmittag ist ein Schiff gesunken«, flüsterte er. »Merton sagt, der Kanal um die Unglücksstelle herum stinkt nach Schwefel. Er sagt, das Wasser hat sich durch den Rumpf gefressen.«
»Unmöglich.« CJ verscheuchte die Mücken und erinnerte sich an den ruinierten Taucheranzug, den sie mit ihrer Kreditkarte hatte bezahlen müssen. »Der Kanal ist nicht sauer genug, um Stahl aufzulösen.«
»Ich habe den Rumpf gesehen«, sagte Max. »Er hat lauter kleine Löcher. Und ein Teil der Ladung ist einfach verschwunden. Verschiedene Leute haben danach gesucht, aber keine Spur davon.«
CJs Hals war wie zugeschnürt. »Was war das für eine Ladung?«
»Sie nannten es Moly «, antwortete er. »Merton sagte, es sind Loa -Geister. Sie sind wütend, weil wir die Erde zerstören.«
Sie runzelte die Stirn. »Du glaubst doch nicht etwa an diesen Voodoo-Kram.«
» Voudon «, sagte er. »Ich muss gehen, lamie. Bis dann.«
CJ schaltete das Handy aus, rollte sich auf den Rücken und starrte in den heller werdenden Himmel. Sie dachte über die gestohlene Schiffsladung nach. Ernährte sich das Kolloid davon?
Nachdenklich kaute sie auf einer Haarsträhne. Moly. Molybdän. Sie versuchte sich zu erinnern, was sie über dieses Element wusste. Silbrig-weiß, hart wie Nägel, ein trockener Schmierstoff, der als Katalysator in der Ölraffinerie verwendet wurde. Und es wurde noch für etwas anderes benutzt: zur Herstellung mikroskopisch feiner Drähte für elektronische Instrumente.
Ihre Gedanken kreisten um die Reaktion des Kolloids auf Schall. Unter Wasser war Schall schneller, aber was war Schall? Druckwellen. Abfallender und ansteigender Druck.
Eine Eule schlug mit den Flügeln und riss sie aus ihren Gedanken. Als sie von einem Baum in der Nähe herabschoss, stieß ein Nagetier einen Todesschrei aus, und CJ sprang auf. Dann zog sie die Nase kraus und versuchte sich an einer juckenden Stelle durch ihren Schutzanzug hindurch zu kratzen. Sie hatte noch eine andere Theorie. Dabei ging es um Feldanziehung.
Sie wusste, dass ein elektromagnetisches Feld so etwas wie Kohäsion entwickeln konnte, wie bei der Oberflächenspannung eines Wassertropfens. Und seine Energie konnte geladene Partikel bewegen. War das die Methode, wie sich das Kolloid fortbewegte? Vielleicht gelang es dem elektromagnetischen Feld durch einen Wechsel zwischen Anziehung und Abstoßung, die ionisierten Bestandteile wie einen Vogelschwarm durch das Wasser zu dirigieren. Aber was kontrollierte das elektromagnetische Feld? Eine Mischung aus Neugier und Angst verursachte CJ eine Gänsehaut.
33
Sonntag, 13. März, 6.42 Uhr
Roman Sacony ging im Konferenzraum im fünften Stock von Haus 2 auf und ab. Die aufbereitete Büroluft roch nach körperlichen Ausdünstungen und Reinigungsmitteln. Keins der Fenster mit den großen Scheiben ließ sich öffnen. Elaine Guidry, Meirs vollbusige blonde Assistentin, saß am Tisch und beobachtete ihn, wie er ihr Memo überflog. Doch die ausgedruckten Worte arbeiteten sich langsamer als gewöhnlich durch sein Gehirn. Er dachte immer noch über den Geschäftsführer von Gulf-Pac nach, der soeben aus dem Zimmer gestürmt war.
Elaine hatte auf seine Anweisung das Memo verfasst, mit dem die Firmenangestellten an ihre Geheimhaltungspflicht und die Strafen für durchsickernde Informationen erinnert werden sollten. Elaine hatte die Sache viel zu höflich formuliert, und er befürchtete, dass der Text nicht die bezweckte Wirkung hatte, aber er hatte nicht die Muße für eine Überarbeitung. »Streichen Sie den ersten Satz und schicken Sie es raus«, sagte er.
Elaine schlug
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