Watermind
Vielleicht gewann sie damit sogar seine flüchtige Anerkennung. Heißer Schweiß bedeckte ihren Körper wie eine zweite Haut. Auch das Bootsdeck schwitzte, und ihre feuchten Gliedmaßen schienen auf einem Kondensfilm zu gleiten. Unter ihren Augenlidern hatte sich so viel Feuchtigkeit angesammelt, dass sie nicht wusste, ob das Brennen vom Schweiß oder von Tränen kam.
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Dienstag, 15. März, 23.14 Uhr
Unsichtbar in der Dunkelheit des Devil's Swamp fiel ein trüber Nieselregen. Jeder Tropfen enthielt Gase aus höheren Atmosphärenschichten, Schwefeldioxide aus texanischen Kraftwerken und Ozon von den Highways um Los Angeles. Es waren auch Eier von Fruchtfliegen aus Honduras, Orchideenpollen aus dem Kongo und Mondstaub dabei. Auf den Oberflächen von tausend grünen Teichen schlugen die warmen, von Beimengungen wimmelnden Tropfen kleine Krater ins Wasser, die rund wie Pennys waren, Strukturen, die vergänglich wie die Töne einer Melodie waren.
CJ und Max waren viel zu sehr mit ihrem Experiment beschäftigt, um sich Gedanken über den Regen zu machen. In ihrem Flutlichtkreis am Bassin bemerkten sie kaum die feinen Tröpfchen, die auf die Plane fielen, die ihren Arbeitsbereich schützte. CJ riss Witze übers Campen, aber Max bemerkte, dass sie viel zu hyperaktiv war und vom Adrenalin berauscht, um sich Sorgen um das Wetter zu machen. Seit Max ihr gezeigt hatte, wie man das Kolloid hörte, war ihre Erschöpfung verschwunden.
›Molekülmusik‹ nannte sie die Rhythmen in der Substanz der Stränge. Stehende Wellen aus Polarisation, pulsierende Isotope, Umkehrungen der Temperaturverhältnisse, oszillierende pH-Werte – und ständig aufsteigende Ströme aus reinstem Wasser. Je mehr sie auf dem molekularen Niveau suchte, desto mehr materielle Träger des Rhythmus fand sie. Die ganze Zeit hatte das Kolloid ihre Kommunikationsversuche beantwortet, doch erst durch Max war sie darauf gekommen, wie sie diese Antwort hörbar machen konnte.
»Es wird komponieren lernen. Ich bin mir ganz sicher. Bald, schon bald wird es mit uns sprechen.« Sie konnte nicht an sich halten. »Ach, Max, ich liebe dich!«
Sie war viel zu aufgedreht, um sich bewusst zu machen, was sie mit diesen Worten meinte. Max lächelte und nickte, aber ihre beiläufige Zuneigung schnitt ihn wie eine Machete. In dieser Nacht konnten sie ein bisschen so tun, als ob, wenn sie sich unter die gemütliche Plane kuschelten, aber er wusste, dass sie bald eine berühmte Wissenschaftlerin sein würde, und er würde wieder im Aufräumtrupp arbeiten.
»O Gott, der Strang wächst!« Ihr Tonfall klang besorgt.
Max stellte das Keyboard weg und trat hinter sie. Auf dem Computerbildschirm spiegelte sich ihr strahlendes Gesicht, aber die Grafik hatte keine Bedeutung für ihn. In schneller Folge drückte sie ein paar Tasten an und bewegte die Maus hin und her. Manchmal war er neidisch auf die Apparate, die ihre ganze Aufmerksamkeit bekamen. Er massierte ihr die Schultern und kam sich nutzlos und schon vergessen vor.
Sie sprang vom Stuhl auf und eilte zum Wasser. Innerhalb weniger Sekunden hatte der Regen ihr Hemd durchnässt. »Wir brauchen ganz schnell eine Probe. Hilf mir, die Plane zurückzuschieben.« Sie zeigte auf einen Punkt mitten im Bassin.
Max betrachtete die regenschwere Plastikabdeckung, das hektische Mädchen, das Wetter. Er schürzte die Lippen. Ceegie war viel zu aufgeregt, regelrecht hyperaktiv. Ihr lespir wirbelte wie ein Windteufel in ihr. Er hatte sie schon ein paarmal so erlebt. Mit einem Kopfschütteln hastete er durch den Regenguss und half ihr dabei, ein halbes Dutzend Taukränze zu lösen. Als sie die Plane zurückzerrten, quoll eine Dampfwolke hervor und löste sich im Regen auf. Max sah, dass sie ins Wasser springen wollte, um eine Probe zu holen, also hielt er sie an den Hüften fest.
»Lamie, hast du immer noch nicht gelernt, wie dieses Wasser ist?«
»Wir müssen uns beeilen.« Sie wehrte sich gegen seinen Griff, dann stürzten sie zusammen auf den glitschigen Steg.
Als sie etwas ruhiger geworden war, ließ er sie los, und sie lagen keuchend im Regen. Max ließ seinen Ärger verrauchen. Dann rollte er sich um sie und streichelte vorsichtig ihren Rücken. Sie drehte sich zu ihm herum. Wasser funkelte in ihren Augen – Regentropfen? Sie schlang die Arme um ihn und drückte die Wange an sein nasses T-Shirt. »Es tut mir leid.«
Er hielt sie dankbar fest, aber er konnte spüren, dass sie schon wieder unruhig wurde. Sie wandte sich von ihm ab
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