Watersong - Sternenlied (German Edition)

Jungs verschwunden waren. Beide waren abends ausgegangen und einfach nicht mehr zurückgekommen.
    Wenn Harper solche Geschichten in der Zeitung las, rannte sie meist sofort zu Brian und forderte, dass er Gemma verbot, nachts schwimmen zu gehen. Aber Brian tat es nicht. Sogar nach allem, was ihrer Mom zugestoßen war – möglicherweise sogar genau deshalb –, hielt er es für wichtiger, den Mädchen zu ermöglichen, ihr eigenes Leben zu leben.
    » Du musst einfach vorsichtig sein « , sagte Levi jetzt. » Du hast zu hart gearbeitet, um leichtsinnig alles aufs Spiel zu setzen. «
    » Ich weiß « , erwiderte Gemma, und diesmal klang sie überzeugt. Sie hatte nicht vor, ihre Zukunft in Gefahr zu bringen.
    » Okay « , sagte der Trainer. » Und Gemma, deine Zeit heute war wirklich fantastisch. Du kannst stolz auf dich sein. «
    » Danke. Morgen bin ich noch besser. «
    » Setz dich nicht so unter Druck « , tadelte der Trainer, aber er lächelte sie dabei an.
    » Okay. « Sie lächelte zurück und zeigte dann auf die Umkleidekabinen hinter ihr. » Ich geh jetzt duschen. «
    » Mach heute Abend was Schönes, das nichts mit Wasser zu tun hat, ja? Erweitere deinen Horizont ein bisschen übers Schwimmen hinaus. Das wird dir guttun. «
    » Aye, aye, Sir « , salutierte Gemma und ging zu den Kabinen. Sie hörte ihn hinter sich lachen.
    Sie duschte schnell und spülte sich sorgfältig das Chlor aus den Haaren. Sie verbrachte so viel Zeit im Wasser, dass ihre Haut eigentlich schrecklich trocken hätte sein müssen, aber sie rieb sich nach dem Abtrocknen jedes Mal mit Babyöl ein. Sonst hätte sie sich schon längst in einen Alligator verwandelt.
    Als sie sich angezogen hatte, ging sie nach draußen, um ihr Fahrrad aufzuschließen. Es regnete wieder, und zwar doppelt so heftig wie vorher. Gemma zog sich ihre Kapuze ins Gesicht und ärgerte sich darüber, dass sie sich dafür entschieden hatte, mit dem Rad zu fahren. Da hupte es hinter ihr.
    » Soll ich dich mitnehmen? « , fragte Harper und kurbelte das Fenster herunter.
    » Und mein Fahrrad? «
    » Das kannst du morgen holen. «
    Gemma überlegte nur einen Augenblick, dann rannte sie zum Auto ihrer Schwester und hechtete hinein. Sie warf ihre Sporttasche auf den Rücksitz und schnallte sich an.
    » Ich war gerade auf dem Heimweg und dachte, ich schaue mal, ob du eine Mitfahrgelegenheit brauchst « , erklärte Harper und fuhr los.
    » Danke. « Gemma drehte die Lüftungsschlitze so, dass die heiße Luft ihr ins Gesicht blies. » Im Regen ist es ziemlich kalt. «
    » Wie war dein Training? «
    » Gut « , sagte Gemma. Beiläufig fügte sie hinzu: » Ich bin eine neue Bestzeit geschwommen. «
    » Ehrlich? « Harper schien sich aufrichtig zu freuen und lächelte ihr zu. » Das ist cool! Gratuliere! «
    » Danke. « Gemma lehnte sich zurück. » Weißt du, was heute Abend so los ist? «
    » Inwiefern? « , fragte Harper. » Dad macht Pizza zum Abendessen, und ich wollte nachher zu Marcy, um mit ihr den Dokumentarfilm Hot Coffee anzuschauen. Was hast du denn vor? «
    » Ich weiß nicht. Nichts. Ich bleibe heute zu Hause, glaube ich. «
    » Du bleibst zu Hause? « , fragte Harper. » Kein Mitternachtsschwimmen? «
    » Nö. «
    » Oh. « Harper schwieg überrascht. » Wie schön. Dad wird sich darüber freuen « , sagte sie dann.
    » Kann sein. «
    » Wenn du willst, kann ich auch zu Hause bleiben « , bot Harper an. » Ich könnte ein paar Filme ausleihen, die wir zusammen anschauen können. «
    » Nein, ist schon okay. « Gemma starrte aus dem Fenster. » Ich dachte, nach dem Abendessen frage ich vielleicht Alex, ob er Lust hat, mit mir Red Dawn Redemption zu spielen. «
    » Oh. « Harper atmete geräuschvoll aus. Die neue Freundschaft zwischen Gemma und Alex gefiel ihr zwar nicht, aber das hatte sie ja bereits gesagt. Außerdem war es besser, wenn Gemma zu Hause mit dem Nachbarsjungen Videospiele spielte, als sich nachts alleine in der Stadt herumzutreiben.
    » Sie sind nur noch zu dritt « , bemerkte Gemma und riss Harper aus ihren Gedanken.
    » Was? « Harper blickte zur Seite und sah Penn, Thea und Lexi die Straße entlanglaufen.
    Es regnete in Strömen, aber die drei hatten keine Jacken an und schienen sich nicht daran zu stören. Jedem anderen hätte Harper eine Mitfahrgelegenheit angeboten, aber jetzt beschleunigte sie sogar, um möglichst schnell an ihnen vorbeizufahren.
    » Sie sind nur noch zu dritt. « Gemma schaute Harper an. » Was ist mit der Vierten geschehen? «
    »