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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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das alles pflichtgemäß und ohne Murren verzollte, was er in seinem ganzen Leben noch nie getan hatte – über seinen älteren Bruder, der sich nach mühsamer, erfolgreicher, in Goldlitzen und steifen Hemden verbrachter Diplomatenkarriere nun im Ruhestand (und bei geschmälertem Einkommen) eine gewisse Nachlässigkeit in der Kleidung erlaubte, die Bemerkung fallen ließ: »Der arme Tony läuft herum wie eine Vogelscheuche.«
    Als die Lebensmittelrationierung aufgehoben wurde, verlor das Landleben seinen Reiz. Angela überschrieb das Haus, das sie »Cedric’s Folly« genannt hatten, mitsamt seinen künstlichen Grotten auf ihren Sohn Nigel, als dieser einundzwanzig wurde, und bezog ein großes, unauffälliges Haus in der Hill Street. Sie hatte noch andere [425] Wohnsitze: eine getäfelte Wohnung aus dem siebzehnten Jahrhundert in Paris, eine Villa auf Cap Ferrat, einen erst jüngst erworbenen Bungalow nebst Strand auf den Bermudas, einen kleinen Palazzo in Venedig, den Angela einstmals für Cedric Lyne gekauft, zu seinen Lebzeiten aber nie aufgesucht hatte – und so zogen sie zusammen mit ihrer gemeinsamen Tochter Barbara von einem Ort zum andern. Basil fasste in der wohlgeordneten Welt der Reichen mühelos Tritt. Er legte sich feste Gewohnheiten und feste Ansichten zu. Als ihm in London »Bratt’s« und »Bellamy’s« zu ordinär wurden, trat er in jenen betulichen Klub an der Pall Mall ein, der Schauplatz so vieler peinlicher Unterredungen mit seinem selbsternannten Mentor, Sir Joseph Mannering, gewesen war; da saß er dann oft in dem Sessel, der Sir Josephs gewohnheitsrechtliches Eigentum gewesen war, und wie Sir Joseph tat er jedem, der ihm zuhörte, seine Meinung über das Neueste vom Tage kund.
    Basil drehte sich um, ging zum Spiegel, rückte seine Krawatte zurecht und kämmte sein fülliges graues Haar. Er betrachtete sich mit den blauen Augen, die schon so viel gesehen hatten, aber jetzt nur das runde, rosige Gesicht sahen, in dem [426] sie saßen, den feinen Anzug englischer Machart, der die amerikanischen Improvisationen ersetzt hatte, das gestärkte Hemd, das er so ziemlich als Einziger noch trug, die Kragenknöpfe aus schwarzen Perlen, die Knopflochblume.
    Vor knapp zwei Wochen hatte er in genau diesem Hotel etwas Bestürzendes erlebt. Er war schon sein Leben lang, vor allem aber in den letzten Jahren, hier regelmäßig zu Gast gewesen und pflegte mit dem Mann, der in einer Nische am Piccadilly-Eingang den Herren die Hüte abnahm, einen herzlichen Umgangston. Basil bekam nie eine Garderobennummer und nahm an, dass er hier namentlich bekannt sei. Dann aber kam der Tag, an dem er sich länger als sonst beim Mittagessen aufgehalten hatte und der Mann danach schon außer Dienst war. Er hatte die Klappe gehoben, sich zwischen die Garderobenständer begeben und seinen Hut und Schirm geholt, und da hatte er im Hutband ein Zettelchen gefunden, das zur Identifizierung dort hineingesteckt worden war. Nur ein einziges, mit Bleistift hingekritzeltes Wort stand darauf: »Pausbacke.« Als er das seiner Tochter Barbara erzählte, sagte sie: »Ich würde dich nicht anders haben wollen. Geh mir nur ja nicht zu einer von diesen Kuren. Da würdest du verrückt werden.«
    [427] Basil war nicht eitel; ob in Lumpen, ob in Seide, hatte er sich nie viel darum gekümmert, wie er auf andere wirkte. Doch als er sich jetzt im Spiegel sah, fiel ihm die unschmeichelhafte Bezeichnung wieder ein. »Würdest du Ambrose als Pausbacke bezeichnen, Peter?«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass er ein dickes rotes Gesicht hat.«
    »Hat Ambrose nicht.«
    »Eben. Aber mich hat man Pausbacke genannt.«
    »Du bist ja auch dick und rot.«
    »Du auch.«
    »Und warum nicht? Sind doch fast alle.«
    »Nur Ambrose nicht.«
    »Der ist vom anderen Ufer und passt wahrscheinlich auf.«
    »Wir aber nicht.«
    »Himmel, wozu denn auch?«
    »Wir tun’s einfach nicht.«
    »Eben.«
    Die beiden alten Freunde hatten das Thema erschöpft. Basil sagte: »Noch mal zu diesen Hemden. Wie ist deine Tochter denn bloß an so einen geraten?«
    »In Oxford. Da wollte sie unbedingt hin und Geschichte studieren. Dabei hat sie sich ein paar recht merkwürdige Vögel angelacht.«
    [428] »Zu meiner Zeit gab’s da wohl auch schon Mädchen. Von denen haben wir nur nie was gesehen.«
    »Zu meiner Zeit auch nicht.«
    »Wer sich mit Studenteusen einlässt, kann sowieso nicht ganz sauber sein.«
    »Dieser Albright ist es jedenfalls nicht.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Hab ihn nie

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