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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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kosten.«
    »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen, Sir.«
    »Meine Frau hatte heute früh Wildgeflügelpastete.«
    Der junge Mann, der in seinem Milieu sehr für seine Unverfrorenheit bewundert wurde, ließ sich [449] so leicht nicht erschrecken. Ein unangenehm komplizenhaftes Grinsen malte sich auf seinem Gesicht. »Wildgeflügelpastete ist gut«, sagte er. »Nur alte Leberwurst, die im Laden übrig war. Die armen Kreaturen werden hier so ausgehungert, dass sie gar nicht mehr merken, was sie essen.«
    »Reden Sie nicht so von meiner Frau«, sagte Basil, und dann: »Ich werde jedenfalls wissen, was ich trinke. Ein Pfund das Glas.«
    »Aber ich habe keinen Whisky, ehrlich nicht. Vielleicht ist im Erste-Hilfe-Kasten noch ein Schlückchen Kognak.«
    »Dann sehen wir uns den mal an.«
    Es war eine ordentliche Marke. Basil trank zwei Gläser. Er keuchte. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er suchte Halt an der Sprossenwand neben ihm. Zuerst fürchtete er schon, ihm werde übel. Dann wallte heiße Freude in ihm auf. Das war wieder Jugend; Kindheit sogar. Genauso herrlich hatte er sich gefühlt, als er zum ersten Mal heimlich an den Getränkeschrank seines Vaters gegangen war. Sein ganzes Erwachsenenleben lang hatte er fast täglich mindestens doppelt so viel Kognak getrunken wie jetzt, von den diversen Aperitifs davor ganz zu schweigen, und mehr als eine gewisse Schwere hatte er nie davon [450] gespürt. Doch jetzt, in seinem vergeistigten Zustand, hob es ihn gleichsam von der Erde hoch, hielt ihn in der Luft und setzte ihn behutsam wieder ab; ein mystisches Erlebnis, wie am Gangesufer oder auf einem Gipfel des Himalaja.
    Neben ihm lag eine Matte, dick und weich, wie ein Bett. Darauf ließ er sich nieder, glückselig, in Ekstase; hoch schwebte sein Geist über seinem Körper; er schloss die Augen.
    »Sie können hier nicht liegen bleiben, Sir. Ich muss doch abschließen.«
    »Nur keine Sorge«, sagte Basil. »Ich bin gar nicht da.«
    Der Gymnastiklehrer war sehr stark; es war ihm ein Leichtes, Basil auf einen der flachen Karren zu wuchten, die in den verschiedensten Größen zur Ausstattung des Sanatoriums gehörten; und so gebettet, nicht sturzbetrunken, aber benebelt, glitt Basil schwerelos den Korridor entlang und begegnete dem gestrengen Herrn Doktor.
    »Was haben Sie denn da, Sergeant?«
    »Keine Ahnung. Hab den Herrn noch nie gesehen.«
    »Sieht aus wie Mr. Seal. Wo haben Sie ihn gefunden?«
    »Der ist einfach zu mir in den Gymnastikraum [451] gekommen, Sir; sah mir ziemlich komisch aus, und mit einem Mal lag er am Boden.«
    »Er hat Sie also komisch angesehen, ja?«
    »›Es schwebt hoch oben ohne Netz der kühne Jüngling am Trapez‹«, lallte Basil mit kaum zu erkennender Melodie vor sich hin.
    »Hat sich vermutlich ein wenig übernommen, Sir.«
    »Da könnten Sie recht haben, Sergeant. Lassen Sie ihn am besten jetzt hier; die Frauen können sich weiter um ihn kümmern. Ah, Schwester Gamage! Mr. Seal braucht Ihre Hilfe, um in sein Zimmer zu kommen. Die Kur war wohl ein bisschen zu streng für ihn. Geben Sie ihm ruhig ein Gläschen Kognak. Ich komme später und sehe nach ihm.«
    Doch als er endlich in Basils Zimmer kam, fand er den Patienten in tiefem Schlaf.
    Er blieb neben dem Bett stehen und sah lange auf ihn hinab. Das eingefallene Gesicht hatte einen Ausdruck betonter Unschuld. Aber der Doktor wusste es besser.
    »Ich werde morgen früh nach ihm sehen«, sagte er, und er ging zu seiner Sekretärin und wies sie an, den früheren Bewerbern mitzuteilen, dass unverhofft zwei Plätze frei geworden seien.
    [452] III
    »Vor die Tür gesetzt, rausgeschmissen, hochkant. Ich muss das Haus innerhalb einer Stunde verlassen.«
    »Oh, Basil, ist das nicht wie in alten Zeiten?«
    »Nur eine Tiefenpsychoanalyse kann mir helfen, sagt er, und in meinem jetzigen Zustand bin ich eine Gefahr für sein Institut.«
    »Wohin gehen wir jetzt? In der Hill Street ist alles zu. Bis Montag ist dort überhaupt niemand.«
    »Das Merkwürdige ist, dass ich gar keinen Kater habe.«
    »Noch immer vergeistigt?«
    »So ist es. Dann gehen wir wohl in ein Hotel. Du könntest Barbara anrufen und ihr sagen, sie soll auch kommen. Sie hat ja gesagt, dass sie unbedingt da wegwill.«
    Doch als Angela ihre Schwägerin anrief, bekam sie zu hören: »Ist Barbara denn nicht bei euch in London? Sie hat mir gestern gesagt, ihr hättet nach ihr verlangt. Sie ist mit dem Nachmittagszug gefahren.«
    »Meinst du, sie ist zu diesem jungen Mann gegangen?«
    »Ich

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