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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Leser Prunella. (Nur eine lokale Größe konnte er nicht kennenlernen. Dem armen Mr. Stebbing hatte die Aufregung »den Rest gegeben«, und er war krankgeschrieben und nach England zurückverfrachtet worden, an Geist und Nerven völlig zerrüttet.)
    Am zweiten Tag interviewte er Mr. Youkoumian. Sie setzten sich um zehn Uhr morgens mit einer Flasche Mastika an den kleinen, runden Tisch hinter Mr. Youkoumians Tresen. Es war drei Uhr nachmittags, als der Reporter endlich in die weißschleierige Hitze hinaustrat, aber er hatte sein Ziel erreicht. Mr. Youkoumian hatte versprochen, ihn in das Banditenlager zu [78] führen. Beide hatten sie Geheimhaltung gelobt. Bei Sonnenuntergang diskutierte ganz Matodi über die kommende Expedition, aber der Journalist blieb von Nachfragen verschont; er war an dem Abend allein und tippte eine Schilderung der Ereignisse in die Maschine, mit denen er für den nächsten Tag rechnete.
    Er beschrieb den Aufbruch in der Dämmerung: »…schon graute der Morgen über dem vom Schicksal so schwer geprüften Städtchen Matodi… die Kamele schnaubten und zerrten an ihren Zügeln… die vielen sich grämenden Engländer, denen die Sonne nur das Ende einer weiteren Nacht hoffnungslosen Wartens brachte… silbernes Frühlicht in dem kleinen Zimmer, wo Prunellas Bett steht, die Decke aufgeschlagen, wie sie es an dem verhängnisvollen Nachmittag verlassen hatte…« Er beschrieb den Aufstieg in die Berge: »…üppige tropische Vegetation weicht dürrem Gesträuch und kahlen Felsen…« Er beschrieb, wie der Bote der Banditen ihm die Augen verband und wie er auf seinem Kamel schwankend durch die Finsternis ritt, ins Unbekannte. Nach einer gefühlten Ewigkeit dann der Halt… Abnahme der Augenbinde… das Banditenlager. »…zwanzig unbarmherzige orientalische Augenpaare funkelten hinter furchteinflößenden [79] Gewehren…« – an dieser Stelle zog er das Blatt aus der Maschine und nahm eine Korrektur vor; das Versteck der Banditen sollte in einer Höhle sein – »…der Boden mit Knochen und Häuten übersät«. Joab, der Anführer, hockte dort in barbarischem Prunk, ein juwelenbesetztes Schwert über den Knien. Dann der Höhepunkt der Geschichte: Prunella gefesselt. Eine Zeitlang spielte er mit dem Gedanken, sie auszuziehen, und begann, ein lebenspralles Wortgemälde ihrer mädchenhaften Figur, die wie Andromeda verschämt in den Schatten zurückwich, in die Tasten zu hämmern. Doch er mäßigte sich wohlweislich und begnügte sich mit: »… ihr reizender schlanker Körper, von den Hanfseilen gezeichnet, die in ihre jungen Glieder schnitten…« Die abschließenden Absätze schilderten, wie in ihren Augen Verzweiflung plötzlich zu Hoffnung zerschmolz, als er vortrat, dem Anführer das Lösegeld aushändigte und »sie im Namen des Daily Excess und des britischen Volkes in die ihr rechtmäßig zustehende Freiheit zurückführte«.
    Es war spät, als er den letzten Satz schrieb, doch er begab sich mit dem Gefühl zu Bett, eine große Leistung vollbracht zu haben, und hinterlegte am nächsten Morgen sein Manuskript bei der Eastern [80] Exchange Telegraph Company, bevor er mit Mr. Youkoumian in die Berge aufbrach.
    Die Fahrt hatte mit seiner Schilderung nicht die geringste Ähnlichkeit. Sie machten sich nach einem ausgiebigen Frühstück auf den Weg, begleitet von den guten Wünschen der meisten Briten und vieler aus der französischen Kolonie, und statt auf Kamelen zu reiten, fuhren sie in Mr. Kentishs kleinem Austin 7. Zu Joabs Versteck gelangten sie nicht einmal. Sie waren noch keine zehn Meilen gefahren, als ihnen auf der Piste eine einsame junge Frau entgegenkam. Sie sah nicht sehr gepflegt aus, besonders was die Frisur betraf, machte jedoch davon abgesehen den Eindruck, bei bester Gesundheit zu sein.
    »Miss Brooks, nehme ich an«, sagte der Journalist, ohne sich des berühmten Vorbilds, dem er folgte, bewusst zu sein. »Aber wo sind die Banditen?«
    Prunella blickte fragend auf Mr. Youkoumian, der einige Schritte weiter hinten nachdrücklich den Kopf schüttelte. »Das ist ein britischer Gentleman von Zeitung«, erläuterte er, »weiß er Bescheid ganz genau wie Gentlemen von Matodi. Er at die tausend Pfund für Joab.«
    »Na, er sollte lieber aufpassen«, sagte Miss Brooks, »die Banditen sind hier überall um uns [81] herum. Oh, Sie können sie natürlich nicht sehen, aber ich möchte wetten, dass in diesem Augenblick hinter den Felsen und Sträuchern und so weiter fünfzig Gewehre auf uns

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