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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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nie, dass Sie wieder frei sein möchten?«
    »Oh, freilich, Miss, daran denke ich – fast die ganze Zeit denke ich daran.«
    »Was möchten Sie tun, wenn Sie freigelassen werden? Es muss doch etwas geben, das Sie lieber tun würden, als ewig hierzubleiben?«
    Der alte Mann wurde unruhig. »Ach, Miss, es klingt vielleicht undankbar – aber ich muss [185] wirklich zugeben, dass ich mich sehr über einen kleinen Ausflug freuen würde – ehe ich zu alt werde, um es richtig zu genießen. Ich nehme an, dass jeder Mensch so einen heimlichen Traum hat, und da ist etwas, von dem ich wünschte, ich könnte es tun. Bitte, fragen Sie nicht, was es ist…Es würde nicht lange dauern. Aber ich fühl’s, wenn ich auch nur einen Tag hier herauskommen würde oder auch nur einen Nachmittag, dann könnte ich ruhig sterben. Dann könnte ich mich wieder leichter in alles schicken und mich mit mehr Herzblut um all die armen Verrückten hier kümmern. Ja, das weiß ich genau.«
    Angelas Augen waren feucht, als sie in den Wagen stieg und wegfuhr. »Er soll seinen Ausflug haben, der Gute!«, flüsterte sie.
    III
    Von jenem Nachmittag an hatte Angela über Wochen einen neuen Daseinszweck. Den üblichen Tagesablauf ertrug sie mit abwesender Miene und ungewohnt reservierter Höflichkeit, was Lady Moping völlig aus der Fassung brachte.
    »Mir scheint, das Kind ist verliebt. Ich bete zu Gott, dass es nicht dieser Lümmel Egbertson ist!«
    [186] Angela saß oft in der Bibliothek und las; sie nahm jeden Besucher ins Kreuzverhör, der vorgab, etwas von Jurisprudenz oder Medizin zu verstehen; und zum alten Sir Roderick Lane-Foscote, der Parlamentsmitglied war, war sie äußerst liebenswürdig. Die Worte »Psychiater«, »Jurist« und »Regierungsbeamter« hatten jetzt einen Glanz für sie angenommen, der früher nur Filmschauspieler und professionelle Ringkämpfer zu umgeben schien. Jetzt war sie eine Frau, die für die gute Sache kämpfte, und noch vor dem Ende der Jagdsaison hatte sie gesiegt. Mr. Loveday sollte freigelassen werden.
    Der Arzt in der Heilanstalt zauderte, leistete aber keinen offenen Widerstand. Sir Roderick schrieb ans Innenministerium. Die notwendigen Papiere wurden unterzeichnet, und schließlich kam der Tag, an dem Mr. Loveday Abschied von der Anstalt nahm, in der er so viele lange und nützliche Jahre verbracht hatte.
    Sein Ausscheiden wurde durch eine kleine Feier gewürdigt. Angela und Sir Roderick Lane-Foscote saßen zusammen mit den Ärzten auf der Bühne des Turnsaals. Im Saal vor ihnen saß jeder Insasse der Anstalt, von dem man annehmen durfte, er sei hinreichend gefestigt, um die Aufregung zu ertragen.
    [187] Lord Moping überreichte Mr. Loveday mit ein paar passenden Worten des Bedauerns im Namen der wohlhabenderen Irren ein goldenes Zigarettenetui; wer sich für einen Kaiser hielt, überschüttete ihn mit Orden und Ehrentiteln. Die Wärter schenkten ihm eine silberne Uhr, und als sie ihm überreicht wurde, weinten viele von den nichtzahlenden Insassen.
    Die Hauptrede jenes Nachmittags hielt der Arzt. »Denken Sie immer daran«, führte er aus, »dass unsere wärmsten und herzlichsten Wünsche Sie begleiten! Sie sind uns derart verbunden, dass es keiner von uns je vergessen wird. Die Zeit wird unser Gefühl, in Ihrer Schuld zu stehen, nur noch verstärken. Wenn Sie in Zukunft je des Lebens in der Welt überdrüssig werden sollten, werden Sie uns hier stets willkommen sein. Ihr Posten bleibt für Sie offen.«
    Etwa ein Dutzend Irrer mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern hüpfte und hopste hinter ihm den Zufahrtsweg entlang, bis sich die eisernen Tore auftaten und Mr. Loveday in die Freiheit hinausschritt. Sein kleiner Koffer war schon zum Bahnhof geschickt worden; er zog es vor, zu Fuß zu gehen. Über seine Pläne hatte er Stillschweigen bewahrt, doch war er mit Geld wohlversehen, und die allgemeine Ansicht ging [188] dahin, dass er nach London reisen und sich ein Weilchen amüsieren würde, bevor er seine Stiefschwester in Plymouth aufsuchte.
    Zum größten Staunen aller kehrte er zwei Stunden nach seiner Freilassung schon wieder zurück. Er lächelte wunderlich vor sich hin – in stiller, selbstgefälliger Erinnerung. »Ich bin wiedergekommen«, teilte er dem Arzt mit. »Ich glaube, dass ich jetzt für immer bei Ihnen bleiben werde.«
    »Aber, Loveday, was für kurze Ferien! Da werden Sie sich kaum amüsiert haben, fürchte ich!«
    »O doch, Sir, ich habe mich glänzend amüsiert! All die Jahre hatte

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