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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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verteilte. »Wir haben jeder ein eigenes Zimmer. Dies hier ist das einzige richtige Wohnzimmer, aber es gibt ein Studierzimmer für den Fall, dass du ein bisschen arbeiten möchtest. Ich glaube, wir werden es recht gemütlich haben…«
    Das Wohnzimmer hatte zwei massive Erker, beide mit Glastüren, die auf einen Balkon über dem Meer hinausgingen. John machte eine auf, und Seewind erfüllte den Raum. Er trat hinaus, atmete tief durch und sagte dann plötzlich: »Hoppla, das ist gefährlich.«
    An einer Stelle zwischen den Türen war das schmiedeeiserne Geländer weggebrochen, und die steinerne Balkonplatte ragte ungesichert ins Offene. Er besah sich die Lücke und die schäumenden Felsen tief unten und stutzte. Der unregelmäßige Polyeder der Erinnerung rollte holpernd ein Stück und kam zum Stillstand.
    Er war vor ein paar Wochen schon einmal hier gewesen, auf der Galerie des Leuchtturms in jenem rasch vergessenen Film. Er stand da und blickte hinab. Genau so waren die Wellen brodelnd über die Felsen gekommen, hatten sie brechend mit Gischt übersprüht und waren wieder zurückgewichen. Dies war das Geräusch, das sie [347] gemacht hatten; dies waren das kaputte Eisengeländer und die nackte Kante.
    Elizabeths drinnen weiterplappernde Stimme ging im Wind- und Meeresrauschen unter. John begab sich ins Zimmer zurück, schloss die Tür und sperrte sie ab. In der eintretenden Stille hörte er sie sagen: »…die Möbel erst letzte Woche aus dem Lager geholt. Er hat es der Frau aus dem Dorf überlassen, sie aufzustellen. Sie hat schon komische Vorstellungen, das muss ich sagen. Schau nur, wo sie das –«
    »Was hast du gesagt, wie das Haus heißt?«
    »Good Hope.«
    »Gute Hoffnung. Ein schöner Name.«
    An dem Abend trank John ein Glas vom Whisky seines Schwiegervaters, rauchte eine Pfeife und schmiedete Pläne. Er war immer ein guter Taktiker gewesen. In aller Ruhe nahm er eine innere »Lagebeurteilung« vor. Operationsziel: Mord.
    Als sie sich erhoben, um zu Bett zu gehen, fragte er: »Hast du die Tabletten mitgenommen?«
    »Ja, ein neues Röhrchen. Aber ich werde sie heute Nacht bestimmt nicht brauchen.«
    »Ich auch nicht«, sagte John, »die Luft ist herrlich.«
    Während der folgenden Tage analysierte er das taktische Problem. Es war kinderleicht. Er hatte [348] die »Stabslösung« bereits. Er analysierte es in den Formulierungen, die er in der Armee gebraucht hatte. »…Handlungsmöglichkeiten des Feindes… Erreichen des Überraschungsmoments… Konsolidierung des Erfolgs.« Die Stabslösung war vorbildlich. Am Anfang der ersten Woche begann er, die Durchführung in Angriff zu nehmen.
    Er hatte bereits vorsichtig im Dorf die Fühler ausgestreckt. Elizabeth war eine Bekannte des Besitzers, er der heimgekehrte Kriegsheld, noch ein bisschen unbeholfen im Zivilleben. »Die ersten Ferien, die meine Frau und ich seit sechs Jahren zusammen machen«, erzählte er den Leuten im Golfclub, dann wurde er an der Bar vertraulicher und ließ durchblicken, dass sie daran dachten, die verlorene Zeit aufzuholen und eine Familie zu gründen.
    An einem anderen Abend sprach er von den Strapazen des Krieges, davon, dass in diesem Krieg die Zivilisten schlimmer dran gewesen waren als die Streitkräfte. Seine Frau zum Beispiel: die ganzen Luftangriffe durchgemacht; tagsüber Bürodienst, nachts dann die Bomben. Sie sollte dringend mal länger pausieren, irgendwo ungestört sein; ihre Nerven hatten gelitten; nichts Ernstes, aber er konnte es, ehrlich gesagt, nicht auf die leichte Schulter nehmen. Hatte er sie in [349] London doch tatsächlich ein-, zweimal dabei ertappt, wie sie schlafgewandelt war.
    Seine Gesprächspartner wussten von ähnlichen Fällen; kein Grund zur Besorgnis, aber man sollte schon aufpassen; nicht dass noch was Schlimmeres daraus entstand. War sie beim Arzt gewesen?
    Noch nicht, sagte John. Sie wisse gar nicht, dass sie schlafgewandelt war. Er habe sie wieder ins Bett geschafft, ohne sie zu wecken. Er hoffe, die Seeluft werde ihr guttun. Sie mache auch wirklich schon einen viel besseren Eindruck. Wenn sie nach ihrer Heimkehr noch Symptome zeigte, kenne er einen sehr guten Mann, zu dem er sie schicken werde.
    Der Golfclub war des Mitgefühls voll. John fragte, ob es einen guten Arzt in der Nähe gebe. Ja, sagten sie, Mackenzie bei ihnen im Ort sei erstklassig, eigentlich zu schade für so ein kleines Dorf; alles andere als ein Hinterwäldler. Las die neuesten Bücher; Psychologie und den ganzen Kram.

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