Way Out
Frau, keinem Kind was getan.«
»Ich auch nicht.«
»Wie sind Sie also auf mich gekommen?«
»Wir haben einen lückenhaften Bericht über Knight und Sie erhalten. Wir haben von Verstümmelungen gehört – aber ohne Einzelheiten. Dann haben wir von einem Kerl ohne Zunge erfahren. Wir haben zwei und zwei zusammengezählt und drei herausbekommen. Wir dachten, dieser Kerl seien Sie.«
»Keine Zunge?«, fragte Hobart. »Schön wär’s. Damit wäre ich gleich einverstanden.« Dann sagte er: »Aber jemandem die Zunge rauszuschneiden, ist eine südamerikanische Praxis. Brasilien, Kolumbien, Peru. In Europa vielleicht Sizilien. Aber nicht Afrika. Mit einer Machete kommt man nicht in den Mund hinein. Vielleicht die Lippen. Das hab ich ein paarmal gesehen. Oder die Ohren. Aber nicht die Zunge.«
»Wir bitten um Entschuldigung«, sagte Pauling.
»Nichts weiter passiert«, meinte Hobart.
»Wir lassen die Tür reparieren.«
»Das wäre nett von Ihnen.«
»Und wir helfen Ihnen, wenn wir können.«
»Auch das wäre nett von Ihnen. Aber kümmern Sie sich erst um die Frau und das Kind.«
»Wir fürchten, dass es schon zu spät ist.«
»Sagen Sie das nicht. Hängt ganz davon ab, wer sie entführt hat. Wo’s Hoffnung gibt, gibt’s auch Leben. Hoffnung hat mich fünf schwere Jahre lang am Leben gehalten.«
Reacher und Pauling ließen Hobart und Dee Marie auf ihrem zerschlissenen Sofa sitzend zurück, die Suppenschale halb leer gegessen. Sie gingen die drei Treppen ins Erdgeschoss hinunter und hinaus in einen wundervollen Spätsommertag. Auf der Straße wälzte sich träge der Verkehr vorbei. Hupen plärrten, Sirenen heulten. Eilige Passanten hasteten auf dem Gehsteig an ihnen vorüber. Reacher seufzte. »Acht Millionen Storys in der nackten City.«
Pauling sagte: »Wir sind wieder soweit wie zuvor.«
43
Reacher ging mit Pauling nach Norden zur Hudson Street, über die Hudson Street, zu dem Block zwischen Clarkson und Leroy Street. Er sagte: »Ich glaube, dass der Mann ohne Zunge hier in der Nähe wohnt.«
»Hier in der Nähe wohnen zwanzigtausend Menschen«, entgegnete Pauling.
Reacher gab keine Antwort.
»Was nun?«, fragte Pauling.
»Zurück zur Ochsentour. Wir haben etwas Zeit vergeudet, das ist alles. Etwas Energie. Allein durch meine Schuld. Ich war dumm.«
»In welcher Beziehung?«
»Haben Sie gesehen, was Hobart anhatte?«
»Billige neue Jeans.«
»Der Kerl, den ich dabei beobachtet habe, wie er die Autos weggefahren hat, trug alte Jeans. Beide Male. Alte, weiche, gewaschene, abgetragene, ausgebleichte, bequeme Jeans. Das hat der sowjetische Hausmeister bestätigt. Und der alte Chinese. Auf keinen Fall ist der Typ, den ich gesehen habe, kürzlich aus Afrika zurückgekehrt. Oder von sonst wo zurückgekommen. Es dauert lange, bis Jeans und ein Hemd so aussehen. Der Kerl, den ich gesehen habe, hat die letzten fünf Jahre in keinem Höllenpfuhl von einem Gefängnis verbracht, sondern irgendwo zu Hause gesessen und regelmäßig seine Wäsche gewaschen.«
Pauling schwieg.
»Wir können uns jetzt trennen«, erklärte Reacher. »Sie haben erfahren, was Sie hören wollten. Anne Lanes Tod war nicht Ihre Schuld. Sie war tot, bevor Sie auch nur von ihr gehört hatten. Sie können nachts wieder schlafen.«
»Aber nicht gut. Weil ich nicht an Edward Lane herankomme. Hobarts Aussage ist bedeutungslos.«
»Weil sie auf Hörensagen beruht?«
»Hörensagen ist manchmal okay. Knights Geständnis auf dem Totenbett wäre zulassungsfähig, weil das Gericht annehmen würde, er habe keinen Grund gehabt, vor dem Sterben zu lügen.«
»Wo liegt also das Problem?«
»Es gibt keine Erklärung auf dem Totenbett, nur Dutzende von Phantasien, die in einem Zeitraum von vier Jahren ausgemalt wurden. Hobart hat sich eine davon zu eigen gemacht, das ist alles. Und er gesteht freimütig, dass Knight und er die meiste Zeit nahezu verrückt waren. Damit würde ich vor Gericht regelrecht ausgelacht.«
»Aber Sie haben ihm geglaubt.«
Pauling nickte. »Zu hundert Prozent.«
»Sie können sich mit einem halben Erfolg zufriedengeben. Patti Joseph ebenfalls. Ich gehe bei ihr vorbei und sag’s ihr.«
»Wären Sie mit einem halben Erfolg zufrieden?«
»Ich meinte, dass Sie aufhören können, nicht ich. Ich mache weiter. Meine Agenda wird von Minute zu Minute länger.«
»Ich bleibe auch am Ball.«
»Das steht ihnen frei.«
»Das weiß ich. Möchten Sie, dass ich weitermache?«
Reacher erwiderte ihren Blick. Antwortete ganz
Weitere Kostenlose Bücher