Way Out
ich zwischen Clarkson und Leroy Street starten. Dort muss es eine Art Basislager geben. Sie hätten mich ab dort beschatten können.«
»Wie hätten sie die ganze Sache ohne Hilfe von innen bewerkstelligen können?«
»Keine Ahnung.«
»Aber das kriegen Sie noch raus.«
»Sagen Sie das noch mal.«
»Wieso? Brauchen Sie Aufmunterung?«
»Mir gefällt nur der Klang Ihrer Stimme.«
»Aber das kriegen Sie noch raus«, wiederholte Pauling mit tiefer, leicht heiserer Stimme, als erholte sie sich seit dreißig Jahren von einer Kehlkopfentzündung.
Sie ließen sich vom Portier anmelden und fuhren dann mit dem Aufzug in den sechsten Stock hinauf. Patti Joseph erwartete sie draußen auf dem Korridor. Die Begegnung zwischen den beiden Frauen verlief anfangs etwas gezwungen. Patti hatte fünf Jahre lang geglaubt, Pauling habe im Fall ihrer Schwester versagt, und Pauling hatte in diesen fünf Jahren so ziemlich das Gleiche gedacht. Deshalb musste erst das Eis gebrochen werden. Aber die Aussicht auf neue Informationen half Patti, rasch aufzutauen. Und Reacher vermutete, dass Pauling reichlich Erfahrung mit trauernden Hinterbliebenen hatte. Die hatte jeder Ermittler.
»Kaffee?«, fragte Patti, noch bevor sie die Wohnung betreten hatten.
»Ich dachte, Sie würden niemals fragen«, sagte Reacher.
Patti verschwand in der Küche, um die Kaffeemaschine anzustellen, und Pauling trat direkt ans Fenster. Betrachtete die Dinge auf der Fensterbank und begutachtete dann die Aussicht. Hob die Augenbrauen, als sie Reacher ansah, und zuckte dabei leicht mit den Schultern, als wollte sie sagen: Verrückt, aber ich habe schon verrücktere Dinge gesehen.
»Was gibt’s also Neues?«, rief Patti aus der Küche.
Reacher antwortete: »Warten wir lieber, bis alle sitzen.« Und zehn Minuten später saßen sie alle, und Patti Joseph war in Tränen aufgelöst. Tränen der Trauer, Tränen des Schmerzes, Tränen der Erleichterung über die endlich erlangte Gewissheit.
Tränen des Zorns.
»Wo ist Knight jetzt?«, wollte sie wissen.
»Knight ist tot«, sagte Reacher. »Er ist einen schlimmen Tod gestorben.«
»Gut. Das freut mich.«
»Ganz Ihrer Meinung.«
»Was wollen wir gegen Lane tun?«
»Das bleibt abzuwarten.«
»Ich sollte Brewer anrufen.«
»Brewer kann nichts unternehmen. Hobart hat die Wahrheit gesagt, aber es gibt keine Beweise. Nicht von der Art, die ein Cop oder Staatsanwalt braucht.«
»Sie sollten den anderen Kerlen von Hobart erzählen. Ihnen klarmachen, was Lane ihrem Kumpel angetan hat. Sie dort hinschicken, damit sie sich selbst ein Bild machen können.«
»Das würde wahrscheinlich nicht funktionieren. Vielleicht ist Hobart ihnen gleichgültig. Sonst hätten sie schon in Afrika den Rückzugsbefehl verweigern müssen. Und selbst wenn’s anders wäre, könnten sie ihre Schuldgefühle am besten dadurch kompensieren, dass sie weiter alles leugnen. Darin haben sie jetzt fünf Jahre Übung.«
»Aber einen Versuch wär’s bestimmt wert. Sie sollten ihn mit eigenen Augen sehen.«
»Das können wir nicht riskieren. Jedenfalls nicht, bevor wir wissen, wie sie darauf reagieren würden. Lane würde annehmen, Knight habe sich Hobart im Gefängnis anvertraut. Also würde er Hobart jetzt als Gefahr für sich betrachten und ihn deshalb zum Schweigen bringen wollen. Und Lanes Kerle tun, was immer der Boss ihnen befiehlt. Das dürfen wir nicht riskieren. Hobart ist buchstäblich eine leichte Beute. Jeder Windstoß könnte ihn umpusten. Und seine Schwester geriete ins Kreuzfeuer.«
»Wieso sind Sie hier?«
»Um Sie zu informieren.«
»Nicht hier, meine ich, sondern in New York, und immer wieder drüben im Dakota.«
Reacher schwieg.
»Ich bin nicht auf den Kopf gefallen«, sagte Patti. »Ich weiß, was hier vorgeht. Wer wüsste mehr als ich? Wer könnte mehr wissen? Und ich weiß, dass Sie am nächsten Tag aufkreuzen, als ich Kate Lane und Jade nicht mehr sehe, dass Leute schwere Taschen in Autos laden, dass Sie sich zwischen den Sitzen verstecken und dann herkommen, um Brewer wegen des Verschwindens von Edward Lanes voriger Frau auszufragen.«
Reacher fragte: »Warum bin ich Ihrer Meinung nach hier?«
»Ich glaube, dass er’s noch mal gemacht hat.«
Reacher sah zu Pauling. Pauling zuckte mit den Schultern, als fände sie eigentlich auch, Patti habe es verdient, die ganze Story zu erfahren. Als hätte sie sich das Recht darauf durch fünf lange Jahre unverbrüchlicher Treue zum Andenken ihrer Schwester verdient. Also
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